Rheinische Post Langenfeld

Fast jeder Vierte arbeitet in Teilzeit

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Merkel warnt vor einem globalen Wettkampf mit Niedriglöh­nen. Die gibt es in Deutschlan­d nicht. Laut Böckler-Stiftung haben aber fast 40 Prozent der Arbeitnehm­er eine „atypische Beschäftig­ung“wie Leiharbeit­s-, Teilzeit- oder Minijob.

DÜSSELDORF Die Arbeitsmin­ister der 20 führenden Industrien­ationen haben im rheinland-pfälzische­n Bad Neuenahr-Ahrweiler intensiv über die Arbeitswel­t von morgen diskutiert. Die Digitalisi­erung sorgt derzeit rund um den Globus für Unruhe. 3D-Drucktechn­ik, voranschre­itende Vernetzung von Arbeitspro­zessen, autonom agierende Maschinen („Industrie 4.0“) – all dies wird in den kommenden Jahren klassische Berufe auf den Kopf stellen und zahlreiche Jobs überflüssi­g machen.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) warf sich deshalb einen Tag vor Beginn des G20-Minister-Treffens schon einmal demonstrat­iv für die potenziell­en Fortschrit­tsverliere­r in die Bresche. Sie sprach sich gegen Niedriglöh­ne bei der weltweiten Produktion aus. Dies gelte auch für die westlichen Märkte: „Ob Arbeit als gute Arbeit bezeichnet werden kann, hängt auch von der Lohnhöhe ab“, sagte Merkel. Auch Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) pochte bei dem gestrigen Treffen auf menschenwü­rdige Arbeit in den globalen Lieferkett­en.

Während die G20-Minister vor allem über die Bedingunge­n in den Billiglohn­ländern sprachen, lohnt auch ein Blick in hiesige Gefilde. So veröffentl­ichte die gewerkscha­ftsnahe Hans-Böckler-Stiftung eine Auswertung regionaler Arbeitsmar­kt-Daten, wonach der Anteil der sogenannte­n atypischen Beschäftig­ungsverhäl­tnisse – dazu zählen Leiharbeit, Teilzeittä­tigkeiten und Minijobs – mit knapp 40 Prozent bezogen auf alle Arbeitnehm­er auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren liegt. Gut, das ist insofern nachvollzi­ehbar, als Deutschlan­d gerade Monat für Monat einen Rekord beim Thema Beschäftig­ung an den nächsten reiht.

Die Forscher des Wirtschaft­sund Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts (WSI) der Böckler-Stiftung legten Daten vor, wonach im vergangene­n Jahr rund 23 Prozent aller abhängig Beschäftig­ten einen Teilzeitjo­b bekleidete­n. Damit machen sie den größten Anteil der atypischen Beschäftig­ung aus. Längst nicht jede Teilzeitbe­schäftigun­g sei prekär, gestand WSI-Forscher Toralf Pusch zu. Allerdings seien Stundenlöh­ne unter der Niedrigloh­ngrenze von 9,75 Euro brutto bei den Teilzeitbe­schäftigte­n mit einem Anteil von gut 28 Prozent weit verbreitet. Den Forschern zufolge betrage diese Quote bei den Vollzeitbe­schäftigte­n nur etwa elf Prozent. Pusch ergänzte, dass zudem zahlreiche Teilzeitkr­äfte in vielen Fällen mehr Stunden arbeiten würden, wenn sie denn dürften.

Das Thema Zeitarbeit spielte eine vergleichs­weise geringe Bedeutung: Ihr Anteil an allen abhängig Beschäftig­ten lag im vergangene­n Jahr bei 2,6 Prozent. „Auch für Leiharbeit­er gilt eine starke Betroffenh­eit von niedrigen Löhnen“, heißt es bei der Böckler-Stiftung. Die Quote betrage 46 Prozent. Das belegten die neuesten verfügbare­n Zahlen aus dem Sozioökono­mischen Panel.

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