Rheinische Post Langenfeld

Der größte Hit des Weltfußbal­ls

- VON ANDREAS HUBER

Die Doku „You’ll Never Walk Alone“erzählt die Entstehung der Hymne.

Wer jemals die Gelegenhei­t hatte, den Song „You’ll Never Walk Alone“im Stadion an der Anfield Road in Liverpool zu hören, der ahnt schnell, warum selbiger als inoffiziel­le Hymne des Weltfußbal­ls gilt. Und deshalb überrascht es auch nicht, dass die Intonation dieses Liedes auch in den Kick-and-rushRummel­plätzen von Glasgow, Tokio und natürlich Dortmund zum festen Fan-Ritual gehört.

Wie es dazu kommen konnte, erzählt die gleichnami­ge Dokumentat­ion von Regisseur André Schäfer (Deutschbod­en), die die Zuschauer mit auf eine höchst interessan­te Zeit- beziehungs­weise Weltreise nimmt. Als Reiseleite­r fungiert der fabelhafte Schauspiel­er Joachim Król („Wir können auch anders“), der sich gewohnt charmant, aufrichtig interessie­rt und mit nicht zu leugnender Leidenscha­ft scheinbar mühelos durch Zeit und Raum bewegt.

Die Anfänge der Geschichte sind im Budapest zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts verortet. Hier veröffentl­icht der berühmte ungarische Autor Ferenc Molnàr das Theaterstü­ck „Liliom“, das schnell auch in der K.u.K.-Kapitale Wien erfolgreic­h ist. Als Molnàr später vor den Nationalso­zialisten nach Amerika (1940) flieht, wird „Liliom“als Musical („Carousel“) für den Broadway adaptiert. In New York schreiben die begnadeten Komponiste­n Richard Rodgers und Oscar Hammerstei­n die Urfassung von „You’ll never walk alone“, die nicht nur Molnàr überzeugt, sondern auch maßgeblich zum „Carousel“-Erfolg (1945) beiträgt. Die damit einhergehe­nde Hollywood-Verfilmung erscheint beinahe zwangsläuf­ig. Schade nur, dass der als Hauptdarst­eller angedachte Frank Sinatra kurzfristi­g von der Rolle zurücktrit­t.

Der Song macht trotzdem seinen Weg. Den letzten Kick zur globalen Fußball-Hymne verpasst „You’ll never walk alone“dann im Jahre 1963 die Mersey-Beat-Combo Gerry & The Pacemakers. Gegen alle Widerständ­e, etwa auch von Beatles-Ma- nager Brian Epstein, veröffentl­icht die Band das Stück als dritte Single. Sie wird zu einem unerwartet­en Nummer-eins-Hit in den englischen Charts, und die Freude über diesen Coup ist Gerry Marsden, dem Sänger des knapp dreiminüti­gen Original-Songs, in jeder Lachfalte anzusehen. Marsden ist einer der unterhalts­amsten Zeitzeugen, den Joachim Król im Rahmen seiner Recherchen aufgesucht hat. Weitere Gesprächsp­artner sind LiverpoolT­rainer Jürgen Klopp, Tote-HosenSänge­r Campino, die BVB-Legenden Norbert Dickel und Lars Ricken, Schauspiel­erin Mavie Hörbiger, Dirigent Thomas Hengelbroc­k (Balthasar-Neumann Chor & Ensemble) und der Molnàr-Enkel Maytas Sarkozy.

Dass die Dokumentat­ion nun exakt 99,09 Minuten dauert, ist mutmaßlich dem Gründungsj­ahr des BVB und dem „Liliom“-Entstehung­sjahr (1909) geschuldet. Nicht alle Seitensträ­nge der Geschichte haben die gleiche Relevanz. Hätte der Film die Dauer eines Fußballspi­els, wäre es auch in Ordnung gegangen. Trotzdem verlässt man das Kino berührt und mit den Silben „Walk on, walk on“auf den Lippen. You’ll Never Walk Alone, Deutschlan­d 2017 – Regie: André Schäfer, mit Joachim Kròl, 99 Min.

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FOTO: VERLEIH Joachim Król mit Campino.

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