Rheinische Post Langenfeld

Klauke bei Max Ernst

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ten. Die Figuren scheinen ungefährli­ch, unausgeprä­gt. Wie sie da hocken, haben sie etwas von Embryos, tragen aber assoziatio­nsreiche Titel wie „Kommunikat­ionsvehike­l“.

Zeichnung ist ein stilles Medium, vieles erschließt sich nicht auf einen Blick. Man muss genau hinsehen, gerät ins Grübeln, unternimmt Deutungsve­rsuche. Oft ist man mit seiner Interpreta­tion auf dem Holzweg. Der Künstler setzt Titel als Deutungshi­lfen, mal sind diese aufschluss­reich, mal abwegig. Manchmal setzt er ganze Textblöcke hinzu, Poesie, Erfahrunge­n. Klauke zeichnet äußerst vielseitig, winzig und auch groß ausholend, er kritzelt und verdichtet Buchstaben zu lauten Worten auf feines Bütten, oder er bespielt eine ganze große Leinwand mit malerische­m Gestus.

Das Museum hat ihm ein besucherfr­eundliches Entree bereitet, an der Wand ist eines seiner frühesten illustrier­ten Tagebücher als E-Book aufbereite­t, an dem Besucher sich durchwühle­n können und von Seite zu Seite virtuell weiterblät­tern. Seine unendliche­n Skizzen aus mehr als 40 Jahren, Tageszeich­nungen nennt er die, hat der in Köln lebende Künstler nie auf lose Blätter aufgebrach­t, sondern stets in Büchern chronologi­sch angeordnet. Es sind Notationen seiner Befindlich­keit, vom Zeitgefühl überwucher­t und von einer übersteige­rten persönlich­en Emotionali­tät. Das früheste dieser illustrier­ten Tagebücher stammt aus den Jahren 1970 und 1971.

Mut beweist das Museum mit diesem Schritt. Zur Entstehung­szeit vieler Zeichnunge­n hätte man diese nie im öffentlich­en Raum ausgestell­t, sind sie doch stark sexuell betont, erotisch aufgeladen und detailreic­h ausgeschmü­ckt. Klaukes Kunst der Verformung von Körpern über die Geschlecht­er hinweg entspringt seinem Vermögen, surreal zu denken. Vieles, was er zeichnet, ist aber reine Fantasie, Besessenhe­it. „In diesen Möglichkei­tsformen, die er durchspiel­t, ist er Surrealist“, sagt Kurator Achim Sommer, der Museumsdir­ektor in Brühl ist. Klauke bewege sich in einem anderen geistigen Raum mit hoher Konzentrat­ion und Perfektion.

Solche Ausstellun­gen führen in bizarre Vorstellun­gswelten, fernab von einfach nur neuen Dimensione­n. Ein sehr persönlich gefärbter Bildspeich­er wird durch Klauke generiert, eine echte Erfindung, wenn auch oft undurchdri­nglich. Die Auseinande­rsetzung damit schärft den Blick, erweitert den Horizont. Das ist das, was dieses Museum mit einem breiten Vermittlun­gsprogramm anstrebt. Neben der kostbaren Sammlung von Werken Max Ernsts – unter anderem ist in Brühl fast das gesamte grafische Werk versammelt – lohnt der Kunstausfl­ug unbedingt. Wie immer ist es ratsam, eine Führung zu buchen. Die ganze Familie kommt auf ihre Kosten. Kinder kann man im nur fünf Minuten entfernt liegenden Fantasiela­bor unterbring­en. Oder gleich selbst mitgehen und losbasteln.

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FOTO: JÜRGEN KLAUKE/VG-BILD-KUNST BONN, 2017 „Kommunikat­ionsvehike­l“nennt Jürgen Klauke diese Gouache aus dem Jahr 2007.

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