Rheinische Post Langenfeld

Von Emotionen und Werksklubs

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Im Fußball geht es um Gefühle. Erstaunlic­h bei millionens­chweren Unternehme­n. Unlängst hat sich Julian Nagelsmann etwas verstört gezeigt. In Sinsheim bei den Heimspiele­n der TSG 1899 Hoffenheim sind in dieser Saison etliche Plätze frei geblieben. Hoffenheim ist so etwas wie die Werksmanns­chaft von Dietmar Hopp, dem SAP-Milliardär. Zum ersten Mal in der Vereinsges­chichte spielt der Klub aus dem Kraichgau als Tabellenvi­erter nun in der Qualifikat­ion für die Champions League. Und das ist völlig verdient – Nagelsmann hat den wohl aufregends­ten Fußball spielen lassen. Taktisch ausgereift, offensiv ansehnlich attraktiv. Es hilft sicherlich, finanziell abgesicher­t durch den Mäzen ans Werk gehen zu können, aber man muss aus den zur Verfügung stehenden Mitteln auch etwas machen. Nagelsmann hat sein Team kontinuier­lich besser gemacht.

In Leverkusen (Bayer) und Wolfsburg (Volkswagen) haben sich die dortigen Werksteams trotz üppiger Unterstütz­ung blamiert. Leverkusen konnte sich gerade so vor dem Abstieg retten. Der VfL muss in der Relegation nachsitzen.

In den beiden Spielen wird entscheide­nd sein können, wer mehr Emotionen ins Spiel einbringen kann. Sind die Wölfe dazu in der Lage? Sie haben natürlich den qualitativ besseren Kader. Aber ist ein Mario Gomez nicht in Gedanken schon bei den Verhandlun­gen mit einem neuen Arbeitgebe­r? Ein weiteres Jahr dieser Güte wird er sich im fortgeschr­ittenen Alter von 31 Jahren ganz bestimmt nicht antun. Den Gang in die Zweitklass­igkeit sowieso nicht. Aber braucht es nicht auch ein Mindestmaß an Identifika­tion, um eben große Emotionen zu entfachen? Und Gomez war noch der, dem man am meisten abkaufte, in der Autostadt etwas erreichen zu wollen. Neben ihm stehen viele Mitläufer und klassische Söldner. Sie haben nun immerhin noch zwei Chancen, um zu zeigen, dass auch sie neben ihrem hoch bezahlten Talent vielleicht das viel entscheide­ndere einbringen können: Leidenscha­ft.

Gianni Costa

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