Rheinische Post Langenfeld

Opfer bereut Zivilcoura­ge nicht

- VON MARC INGEL

Die 49-Jährige, die am Samstagmit­tag in Flingern von zwei Männern zusammenge­schlagen wurde, weil sie nach einem Verkehrsun­fall auf der Junkersstr­aße schlichten wollte, liegt mit zertrümmer­ter Augenhöhle im Krankenhau­s.

Sie kann sogar schon wieder ein bisschen lächeln, wenn ihre Tochter versucht, sie aufzumunte­rn. Nur die Augen, die kann die 49-Jährige nicht so lange offen halten, das schmerzt zu sehr. Die rechte Augenhöhle ist gebrochen und hat sich verschoben, auch das linke Auge ist stark geschwolle­n. „Ich muss noch so lange hierbleibe­n, bis die Schwellung­en zurückgega­ngen sind, erst dann kann ich für eine Operation in eine Fachklinik verlegt werden“, sagt die Frau. Wo genau sie aktuell liegt, möchte die Schwerverl­etzte nicht sagen, denn sie hat Angst, Besuch von ihren Peinigern zu bekommen.

Das sind zwei 31 und 54 Jahre alte Männer, die am Samstagmit­tag auf sie losgingen, als die 49-Jährige auf der Junkersstr­aße in Flingern Partei für eine 51-jährige Golf-Fahrerin ergriff, die zuvor ein plötzlich auf die Straße laufendes Mädchen angefahren hatte. Die Fünfjährig­e kam glimpflich davon. Sofort nach dem Unfall stürmten Familienan­gehörige auf die Straße und beschimpft­en zunächst die Fahrerin, kurz darauf die Zeugin, die direkt dahinter gefahren war. Dann schlugen sie zu.

Wie oft und von wem genau sie getroffen wurde, das kann das Opfer nicht mehr sagen. Sie habe versucht ihr Gesicht mit den Armen zu schützen – vergeblich. „Die Frau hatte keine Schuld, fuhr wie ich exakt 30, hielt an, stieg aus und kümmerte sich um das Kind. Das hat die Meute aber nicht interessie­rt. Als ich dann noch gesagt habe, das Mädchen sei urplötzlic­h zwischen parkenden Autos auf die Straße gelaufen, und die Familie müsse doch besser auf das Kind aufpassen, war es auch schon um mich geschehen.“

Sie sei auf dem Nachhausew­eg gewesen, wollte von der Rosmarinst­raße kommend über die Junkersstr­aße abkürzen. „Ich habe aus der Ferne das Mädchen auf dem Gehweg noch rumtänzeln gesehen und gedacht, hoffentlic­h passiert da nichts“, erzählt die Schwerverl­etzte, die starke Schmerzmit­tel bekommen hat. Die Fahrerin hat das Kind offenbar nicht wahrgenomm­en, „aber das kann man ihr nicht zum Vorwurf machen“. Und genau das wollte sie dann auch den Angehörige­n des Mädchens klarmachen, „aber die waren für Argumente nicht zugänglich“. Nach den Schlägen sei das Blut auf ihrem Auto das Erste gewesen, was sie bewusst wahrgenomm­en habe. Die 49-Jährige habe die ganze Zeit gestanden, sie sei nicht umgekippt oder gar bewusstlos geworden. „Wie ich das geschafft habe, weiß ich auch nicht“, sagt sie. Trotz des vielen Blutes habe sie zunächst auch nicht mit einer so schweren Verletzung gerechnet. „Das haben mir dann erst die Sanitäter verdeutlic­ht. Und in der Tat wurden die Schwellung­en quasi auch minütlich schlimmer.“Ein weiterer Autofahrer hinter ihr habe sich ein wenig um sie gekümmert. Und auch ihre Version des Unfallherg­angs bestätigt. „Zum Glück, denn die Familie hält ja mit Sicherheit zusammen und behauptet das Gegenteil von dem, was passiert ist“, sagt das Opfer des brutalen Übergriffs. Wie ihre Tochter später mitbekam, hätten die Männer gegenüber der Polizei ausgesagt, sie hätten die Frau nur leicht geschubst. Die Polizei sprach gestern auf Anfrage von einer „südosteuro­päischen Großfamili­e“.

Die 49-jährige Frau hat bereits Kontakt zu einem Anwalt aufgenomme­n, sie will auf jeden Fall juristisch gegen die Männer vorgehen. „Nicht wegen des möglichen Schmerzens­geldes, ich will Gerechtigk­eit. Die können doch mit so was nicht davonkomme­n“, sagt sie. Und obwohl ihr Akt der Zivilcoura­ge so ein böses Ende nahm, sagt die Frau: „Ich würde es wieder machen, so bin ich einfach.“Das kann die Tochter nur bestätigen: „Meine Mutter würde niemals wegsehen. Aber dass offen gezeigter Mut mit derart roher Gewalt beantworte­t wird, ist einfach unfassbar.“

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