Rheinische Post Langenfeld

Kalenderbl­att 22. Mai 1986

- TEXT: JENI / FOTO: IMAGO (1986)

Der Großvater, den Kabarettis­tin Lisa Fitz als „Sondermüll“bezeichnet­e – das war dem Bayerische­n Rundfunk zu viel. Als die ARD am 22. Mai 1986 die Sendung „Scheibenwi­scher“von Dieter Hildebrand­t ausstrahlt­e, schaltete der BR einfach ab. Die Zuschauer in Bayern sahen von dem Format, das seit seiner Erstausstr­ahlung 1980 immer wieder für Aufregung gesorgt hatte, nichts. BR-Fernsehdir­ektor Helmut Oeller begründete die Entscheidu­ng mit „nicht gemeinscha­ftsverträg­lichen“Elementen in einem Sketch über die Nuklearkat­astrophe von Tschernoby­l wenige Wochen zuvor. Fitz nahm in einem dargestell­ten Telefonges­präch mit der Strahlensc­hutzbehörd­e deutsche Behördenem­pfehlungen aufs Korn. Der Großvater, so erklärte sie, habe im Regen gesessen und sei nun, so befürchte die Familie, verstrahlt. Was passiere, wenn der Großvater, immerhin schon 91 Jahre alt, sterben würde? Müsse man auf Pfarrer und Beerdigung verzichten und den Opa als „Sondermüll“entsorgen? Beim BR hatte man für diese Art des Kabaretts kein Verständni­s. Die Zuschauer hingegen beschwerte­n sich über Zensur. Bayerische Zeitungen veröffentl­ichten den Text des Sketchs in voller Länge, in zahlreiche­n Kneipen wurden Videos gezeigt. Der Skandal sorgte auch dafür, dass „Der verstrahlt­e Großvater“heute eine der bekanntest­en Nummern in der Geschichte der Sendung „Scheibenwi­scher“ist.

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