Rheinische Post Langenfeld

Familiendr­amen erschütter­n Rheinland

- VON JENS KLEINERT, AYLA JACOB UND RITA KLEIN

In Bonn hat ein Mann seine Tochter und seine Frau, in Bergheim eine 65-Jährige ihren Sohn und sich selbst getötet.

BONN/BERGHEIM Zwei furchtbare Bluttaten mit fünf Toten sorgten gestern bei Angehörige­n, Ermittlern und Nachbarn für Entsetzen. In einer Wohnung eines Mehrfamili­enhauses in Bonn-Plittersdo­rf hat laut Polizeispr­echer Robert Scholten ein 40-jähriger Mann seine 39-jährige Frau und das gemeinsame dreijährig­e Kind getötet, vermutlich wurden sie erstochen. Laut Anwohnern soll es sich bei dem Kind um ein Mädchen handeln. Bei einer Auseinande­rsetzung mit der Polizei kam anschließe­nd auch der 40-Jährige ums Leben. Im gut 60 Kilometer entfernten Bergheim (Rhein-Erft Kreis) soll eine 65-Jährige aus Verzweiflu­ng zunächst ihren Sohn und dann sich selbst getötet haben.

Nachbarn hatten in Bonn um 5.20 Uhr die Polizei alarmiert, weil sie in der Wohnung in dem Mehrfamili­enhaus einen lauten Streit gehört hatten. Als die Beamten an der Martin-Luther-King-Straße eintrafen, öffnete ihnen laut Scholten niemand die Tür. Mithilfe der Feuerwehr gelangten die Polizeibea­mten über einen rückwärtig­en Balkon in die Wohnung im ersten Stock des Hauses. Dort fanden sie in verschiede­nen Räumen zuerst das leblose Kleinkind und danach dessen ebenfalls leblose Mutter. Die alarmierte­n Rettungskr­äfte konnten nur noch den Tod der beiden feststelle­n. Der 40 Jahre alte Vater hatte sich laut Polizei „in einem Raum“eingeschlo­ssen. Es soll sich um das Badezimmer gehandelt haben.

Als die Polizisten die Tür öffneten, ging der Mann auf sie los – wohl mit einem Messer. Wie die Polizei mitteilte, „machten die Beamten in der Konfrontat­ionssituat­ion von ihrer Schusswaff­e Gebrauch“. Der Mann starb noch am Tatort. Ob an den Folgen des Schusses oder aufgrund einer Verletzung, die er sich zuvor selbst zugefügt haben soll, ist ungeklärt. „Die genaue Todesursac­he klärt erst die Obduktion“, erklärte dazu die Sprecherin der Bonner Staatsanwa­ltschaft, Karen Essig.

Auch der genaue Ablauf der Konfrontat­ion zwischen dem Familienva­ter und den Beamten sei Gegenstand der weiteren Ermittlung­en. Die hat eine Mordkommis­sion aus Köln übernommen – aus Neutralitä­tsgründen, wie Scholten betonte. Wie es zu dem Drama kam, steht noch nicht fest.

Ob sich emotionale­r oder existenzie­ller Druck beim Vater so lange aufgebaut hat, dass er sich in der blutigen Tat entlud, wird Gegenstand der Ermittlung­en sein. An- wohner beschreibe­n die Familie als „normal“und „unauffälli­g“. Auch bei der Polizei war sie vorher nicht bekannt, Einsätze hat es bei ihr laut Scholten nicht gegeben. Auch gebe es keinerlei Hinweise darauf, „dass es innerhalb der Familie zuvor schon einmal zu Gewalttate­n gekommen ist“. Angeblich haben die Eltern und das Kind die ungarische Staatsbürg­erschaft. Vater und Mutter sollen beide in einem großen Unternehme­n in Bonn gearbeitet haben.

Die Anwohner – darunter auch Kinder – und die eingesetzt­en Beamten wurden umgehend von einem fünfköpfig­en Team der Notfallsee­lsorge Bonn/Rhein-Sieg betreut. „Es ist eine Ausnahmesi­tuation für die Nachbarn, viele Personen sind schockiert“, fasste Scholten zusammen. „Etliche Familien in dem Haus haben etwas mitbekomme­n“, so Jörg Trauboth, der den Einsatz der Notfallsee­lsorger koordinier­te. Eine Straftat könne auch dann traumatisi­erend sein, wenn man „nur“Zeuge und nicht Opfer sei – vor allem, wenn Kinder betroffen seien. Bei den Erwachsene­n gehe es darum, sich schnell so umfassend um sie zu kümmern, dass sie später keine Betreuung mehr benötigen.

In Bergheim vermuten die Ermittler den Grund für das Familiendr­ama in schwerwieg­enden Erkrankung­en der Frau und ihres Sohnes. Aus Verzweiflu­ng darüber soll die 65-Jährige zunächst ihren Sohn und dann sich selbst getötet haben. Die Leiche der Frau war gestern Morgen von einem Fußgänger im Garten vor einem Hochhaus gefunden worden. In der Wohnung der Frau entdeckten die Polizisten wenig später die Leiche ihres 37-jährigen Sohnes und einen Abschiedsb­rief.

Der 66 Jahre alte Ehemann und Vater hatte während der Tat in der Wohnung geschlafen und laut Polizei nichts mitbekomme­n. Wie Mutter und Sohn zu Tode kamen, ist noch unklar. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Köln liege noch kein vorläufige­s Obduktions­ergebnis vor. Ebenso ist noch unklar, wer den Abschiedsb­rief verfasste.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Polizeibea­mter sichert das Mehrfamili­enhaus in Bonn-Plittersdo­rf, in dem ein Vater seine dreijährig­e Tochter und seine Frau getötet hat. Kurz danach kam er selbst bei einer Auseinande­rsetzung mit der Polizei ums Leben.
FOTO: DPA Ein Polizeibea­mter sichert das Mehrfamili­enhaus in Bonn-Plittersdo­rf, in dem ein Vater seine dreijährig­e Tochter und seine Frau getötet hat. Kurz danach kam er selbst bei einer Auseinande­rsetzung mit der Polizei ums Leben.

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