Rheinische Post Langenfeld

Machtkampf in der NRW-SPD

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND UNSEREN LOKALREDAK­TIONEN

Nach der Wahlnieder­lage streiten die Genossen, wer Opposition­sführer werden soll. Fraktionsc­hef Norbert Römer will noch im Amt bleiben. Das kommt in Teilen der Partei und an der Basis gar nicht gut an.

DÜSSELDORF Der Raum im obersten Stockwerk der SPD-Parteizent­rale in Düsseldorf hat etwas von einer Studentenb­ude. Es gibt einen großen Tisch, eine Küchenbar mit hohen Hockern und viele Dachschräg­en. Eigentlich ein passender Rahmen für einen Neustart. Tatsächlic­h konnten sich die Genossen hier fünf Tage nach dem Rücktritt von Hannelore Kraft auf einen neuen Parteichef einigen: Michael Groschek, 60, bisher Verkehrsmi­nister. Einstimmig sei die Entscheidu­ng im Vorstand gefallen, verkündete NochFrakti­onschef Norbert Römer am vergangene­n Freitag.

Doch ganz so einmütig geht es hinter den Kulissen zurzeit dann doch nicht zu. In der NRW-SPD streiten sie heftig, wer künftig die Fraktion im Landtag anführen soll. Auf der einen Seite stehen die Anhänger von Noch-Justizmini­ster Thomas Kutschaty. Auf der anderen Seite steht Fraktionsc­hef Römer. Der 70-Jährige will dem Vernehmen nach für eine Übergangsz­eit im Amt bleiben. Das kommt nicht überall gut an: „Die Fraktionss­pitze wird neu besetzt werden müssen“, sagte etwa der Bochumer Landtagsab­geordnete Serdar Yüksel dem Sender Sat.1 NRW. Ein Kollege, der nicht genannt werden will, sagte mit Blick auf Groschek, Kutschaty und NochWissen­schaftsmin­isterin Svenja Schulze, die neue NRW-Generalsek­retärin werden soll: „Drei Ex-Minister in verantwort­lichen Positionen wären zu viel.“In Berlin genießt zwar Groschek starken Rückhalt, bei Römer jedoch gehen die Meinungen auseinande­r.

Auch an der Basis machen sie aus ihrem Unmut keinen Hehl. Krefelds SPD-Oberbürger­meister Frank Meyer schrieb auf Facebook über Groschek und Schulze: „Der Neuanfang der NRW-SPD soll also mit zwei bisherigen Kabinettsm­itgliedern gewagt werden. Hm, darüber muss ich noch mal nachdenken.“Auch Daniel Rinkert, SPD-Vorsitzend­er im Rhein-Kreis Neuss und Bundestags­kandidat, ist wenig begeistert vom designiert­en Parteichef: „Ob er der Richtige für einen Neuanfang ist, bleibt abzuwarten. Wir haben viele gute Leute – auch junge.“Der 29-Jährige hätte es lieber gesehen, wenn seine Partei zunächst die Wahlnieder­lage genau analysiert und dann in Ruhe bis zum Sommer die nötigen Personalen­tscheidun- gen getroffen hätte. Ähnlich kritisch äußerte sich der Dormagener SPDBürgerm­eister Erik Lierenfeld. Er kommentier­te auf Facebook Tempo und Art der Kandidaten­kür mit: „Nichts für mich! Was ist bloß los, meine SPD? Was soll die Panik?!?“Es gehe ihm nicht um Michael Groschek oder Svenja Schulze. Die NRW-SPD habe aber die größte Pleite ihrer Geschichte eingefahre­n und schonungsl­oses Aufarbeite­n ange- kündigt, so Lierenfeld: „Fünf (!) Tage später wird aber schon vorgestell­t, wer die neue Hoffnung für den Neuanfang sein soll... Das ist sooo unglaubwür­dig. Ich bin wirklich fassungslo­s... und das bin ich nicht schnell.“

Eine Vorentsche­idung im Rennen um den Opposition­sführer und zugleich Gegenspiel­er von CDU-Chef Armin Laschet wird voraussich­tlich heute fallen. Die Fraktion soll dem Vernehmen nach einer Empfehlung des Parteivors­tandes folgen und über eine Änderung der Geschäftso­rdnung abstimmen, damit die Amtszeit des Fraktionsc­hefs auf ein Jahr verkürzt werden kann. Die restliche Wahlperiod­e soll in zweimal zwei Jahre aufgeteilt werden. Die Einladung zur Fraktionss­itzung, die unserer Redaktion vorliegt, enthält dazu allerdings nur den belanglos daherkomme­nden Tagesordnu­ngspunkt zwei: „Weitere Schritte zur Konstituie­rung der Fraktion“.

Damit läuft es darauf hinaus, dass Römer für ein Jahr im Amt bleibt und den Posten erst später weiterreic­ht, etwa an seinen Wunschkand­idaten Marc Herter. Der 42-Jährige ist Parteivize in NRW und parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer. In Römers Umfeld sehen sie darin eine Lösung, die so kurz vor der Bundestags­wahl Kontinuitä­t sichert.

Die Sache war zwischenze­itlich so eskaliert, dass es ein klärendes Gespräch zwischen Römer und Kutschaty brauchte, um den Streit gestern beizulegen. Dies scheint gelungen: Mit der Wahl des neuen Fraktionsc­hefs wird nun am kommenden Dienstag gerechnet.

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Michael Groschek (60)
FOTO: DPA FOTO: IMAGO Norbert Römer (70) Michael Groschek (60)

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