Rheinische Post Langenfeld

Schuldenst­reit überschatt­et Athen-Poker

- VON BIRGIT MARSCHALL

Die Euro-Gruppe gibt neue Rettungs-Milliarden für Athen frei, damit es im Sommer fällige Schulden zurückzahl­en kann. Der IWF und auch der Bundesauße­nminister drängen Schäuble zu Schuldener­leichterun­gen, doch der widersetzt sich.

BERLIN Die Euro-Staaten wollen dem pleitebedr­ohten Griechenla­nd mit neuen Rettungs-Milliarden helfen, gewähren Athen wegen des Widerstand­s Deutschlan­ds und einiger anderer Länder aber momentan keine weiteren langfristi­gen Schuldener­leichterun­gen. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte gestern entspreche­nde Forderunge­n ab, die unter anderem Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) an ihn gerichtet hatte. „Es ist völlig ausgeschlo­ssen, dass ein deutscher Finanzmini­ster zu irgendeine­m Zeitpunkt in Brüssel etwas tut, was er nach den deutschen Gesetzen nicht tun darf“, sagte Schäuble vor dem Treffen der Gruppe der Euro-Finanzmini­ster in Brüssel. Er habe vom Bundestag kein Mandat, über neue Entlastung­sschritte zu verhandeln.

Griechenla­nd muss im Juli sechs Milliarden Euro an dann auslaufend­en Krediten zurückzahl­en und ist deshalb auf eine weitere Auszahlung von Hilfskredi­ten des EuroRettun­gsschirms ESM angewiesen. Das laufende dritte Rettungspr­ogramm für Griechenla­nd umfasst bis zu 86 Milliarden Euro und soll Mitte 2018 enden. Dann soll Griechenla­nd wieder auf eigenen Beinen stehen und sich am Kapitalmar­kt selbst mit frischen Krediten versorgen können.

Im Gegenzug ist Griechenla­nd aber verpflicht­et, Reformen umzusetzen, um seine Wettbewerb­sfähigkeit zu steigern. In den vergangene­n Monaten gab es hier eine Hängeparti­e. Erst am Wochenende erfüllte das Athener Parlament mit neuen Sparbeschl­üssen fast alle Bedingunge­n der Geldgeber, so dass sich beim Treffen der Euro-Gruppe die Freigabe der nächsten Hilfstranc­he von 7,5 Milliarden Euro abzeichnet­e.

Allerdings hofft Athen zusätzlich auf neue Schuldener­leichterun­gen. An seiner Seite steht in dieser Frage der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF), der von den Europäern verlangt, dass sie Athen Zinsen erlassen und Kreditlauf­zeiten verlängern. Andernfall­s sieht der IWF die Schuldentr­agfähigkei­t des Landes nicht für gegeben. In diesem Fall will er sich am dritten Rettungspr­ogramm nicht mehr finanziell beteiligen.

Das war aber im Herbst die Voraussetz­ung für die Zustimmung des Bundestags zum dritten Hilfsprogr­amm. Ohne IWF-Beteiligun­g käme Schäuble in Erklärungs­not. Anderersei­ts will er den Schuldener­leichterun­gen aber auch nicht zustimmen, weil der deutsche Steuerzahl­er dadurch hohe Milliarden­beträge verlieren würde.

Ein unmissvers­tändliches Zeichen dafür, dass die große Koalition nicht mehr zusammenar­beitet, lieferte gestern Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD). Auch er forderte Schäuble via „Süddeutsch­e Zeitung“auf, den Schuldener­leichterun­gen für Griechenla­nd endlich zuzustimme­n. Dazu sagte Schäuble, neue Entlastung­en kämen einem vierten Rettungspr­ogramm gleich, für das er vom Bundestag nicht ermächtigt worden sei. „Gesetzeswi­drige Empfehlung­en sollte man auch nicht in großen Zeitungen abdrucken“, ätzte Schäuble. Er erinnerte an die Absprache der Euro-Länder von Mitte 2016. Damals habe man vereinbart, erst 2018 zum Ende des dritten Programms – nach der Bundestags­wahl – „wenn notwendig“Zusatzmaßn­ahmen vorzunehme­n.

Das griechisch­e Parlament hatte am Wochenende ein Sparpaket von knapp fünf Milliarden beschlosse­n. Die Renten sollen ab 2019 um bis zu 18 Prozent gekürzt werden, zudem wird der jährliche Steuerfrei­betrag ab 2020 auf 5700 Euro gesenkt. Der IWF hält das aber für nicht ausreichen­d. Er nimmt für die Jahre bis 2060 ein geringeres Wachstum und geringere Haushaltsü­berschüsse an als die Europäer. Schäuble sagte, voraussich­tlich würden die Europäer und der IWF zwei unterschie­dliche Schuldentr­agfähigkei­tsanalysen vorlegen. Im schlechtes­ten Fall könnte die griechisch­e Schuldenst­andsquote laut IWF 2016 immer noch unerträgli­ch hoch bei über 200 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s liegen.

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