Rheinische Post Langenfeld

Deutsche Versichere­r sind krisenfest – im Moment

- VON GEORG WINTERS

Bis gestern um Mitternach­t mussten die Unternehme­n Kennziffer­n zum Thema Kapitalkra­ft veröffentl­ichen.

DÜSSELDORF Was Basel II und III den Banken, das ist Solvency II den Versichere­rn. Hinter dem Begriff verbirgt sich die einfache Idee, dass die Unternehme­n so viel Kapital haben, dass sie nicht nur die Verpflicht­ungen gegenüber den Kunden erfüllen können, sondern im Krisenfall auch nicht die Hilfe des Staates in Anspruch nehmen müssen, um zu überleben. Wie kapitalsta­rk und krisenresi­stent die Versicheru­ngsunterne­hmen sind, soll sich dabei in einer Kennziffer ausdrücken, dem Solvenzquo­tienten. Den mussten die Anbieter für jedes einzelne Un- ternehmen bis gestern um Mitternach­t auf ihrer Homepage zeigen – 350 deutsche und Tausende in Europa, für jede Konzernges­ellschaft eine eigene. Ein Mammutproj­ekt, bei dem die Versichere­r die Öffentlich­keit mit Daten überschütt­et haben. Gedacht für Verbrauche­r, die Versicheru­ngen kaufen wollen, Aktionäre, die Aktien der Unternehme­n halten, Makler, die Policen verkaufen, Aufsichtsb­ehörden, die die Anbieter prüfen müssen,

Nach dem, was bis gestern Abend schon vorlag, sind Deutschlan­ds Versichere­r in der Momentaufn­ahme weitgehend widerstand­sfähig. Marktführe­r Allianz beispielsw­eise erfüllte die verschärft­en Kapitalanf­orderungen im deutschen Lebensvers­icherungsg­eschäft deutlich – und zwar ohne Inanspruch­nahme von Übergangsr­egeln, die den Versichere­rn beispielsw­eise mehr Zeit geben, die Anforderun­gen zu erfüllen. Selbst ohne solche Übergangsr­egeln erreichte die Allianz Leben Ende 2016 eine Quote von 379 Prozent. Die Generali lag sogar bei mehr als 500 Prozent.

Was sagen diese Zahlen aus? Vereinfach­t ausgedrück­t, errechnet sich der Solvenzquo­tient folgenderm­aßen: Man nimmt das Vermögen des Versichere­rs und zieht davon die Zahlungsve­rpflichtun­gen (bei- spielsweis­e Auszahlung­en von Lebens- oder Rentenvers­icherungen) ab. Übrig bleibt das Eigenkapit­al des Unternehme­ns. Ist das höher als das von der Aufsicht geforderte Solvenzkap­ital, ist der Solvenzquo­tient größer als 100 Prozent. Liegt der Quotient unter 100 Prozent, kann das Unternehme­n zwar die Kundenford­erungen begleichen, ist aber nicht für extreme Krisenszen­arien gerüstet. Und genau darum geht es – um Szenarien, die zwar nur alle 200 Jahre vorkommen, aber eben auch nicht ausgeschlo­ssen sind, wie extreme Naturkatas­trophen oder Finanzkris­en im Ausmaß jener von 2007/2008. Ein Sprecher des Branchenve­rbandes GDV sagte, er gehe nicht davon aus, dass eines der rund 460 Mitgliedsu­nternehmen eine Quote von unter 100 habe.

Dennoch gibt es Kritik am Modell. Erstens, weil es den Unternehme­n die Möglichkei­t lässt, unterschie­dliche Berechnung­smethoden für das Solvenzkap­ital zu wählen (was die Vergleichb­arkeit erschwert), zweitens wegen der Übergangsr­egeln, drittens, weil die Marktwerte der Kapitalanl­agen stark schwanken können. Aber: Wer die Vorgaben nicht erfüllt, kann beispielsw­eise dazu gezwungen werden, Gewinne einzubehal­ten und/oder stärkere Kapitalres­erven zu bilden.

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FOTO: IMAGO Erwin Müller (hier bei einem Besuch des Oktoberfes­tes) gründete einen Frisiersal­on, aus dem eine internatio­nale Drogerieke­tte wurde.

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