Rheinische Post Langenfeld

Bank muss Drogerie-König Millionen zahlen

- VON GEORG WINTERS

Erwin Müller war schon als Friseur ein Rebell, später gründete er eine der ersten Drogerie-Ketten. Nun setzte er als Anleger vor Gericht eine hohe Entschädig­ung durch: Die Schweizer Bank Sarasin habe ihn falsch beraten, so das Gericht.

ULM Für jemanden, dessen Vermögen auf mehr als zwei Milliarden Euro geschätzt wird, sind 45 Millionen Euro ein überschaub­arer Betrag. Gerade mal 2,25 Prozent vom Ganzen. Und Erwin Müller, der Mann von dem wir hier reden, musste dafür, dass ihm das Landgerich­t Ulm diesen Betrag zusprach, nicht einmal vor Gericht erscheinen. Müller, der einst als Friseur begann und heute eine der größten Drogeriema­rktketten in Deutschlan­d betreibt, hat die Schweizer Bank J. Safra Sarasin, wie sir seit einigen Jahren heißt, erfolgreic­h auf Schadeners­atz verklagt, weil sie ihn falsch beraten hat.

Der Fall gewinnt nicht nur durch die prominente Persönlich­keit des Klägers an Brisanz, sondern auch durch das Thema. Es geht mal wieder um die berühmt-berüchtigt­en Cum-ex-Geschäfte, jene Deals, die vor Jahren rund um den Dividenden­stichtag von Aktien abliefen und bei denen sich mehrere Mitspieler Steuern erstatten ließen, obwohl nur einer Steuern gezahlt hatte. Dieser Praxis hat der Gesetzgebe­r mittlerwei­le einen Riegel vorgeschob­en. Beteiligte Banken stehen aber immer noch im Dauerverda­cht, manche von ihnen ist schon durchsucht worden, es drohen empfindlic­he Strafen, andere haben Millionenb­eträge gezahlt, freilich ohne irgendein Schuldeing­eständnis.

Wer auch immer verantwort­lich war bei diesen Deals: Manche Anleger haben dabei viel Geld verloren, ob man sie nun als mitschuldi­g sieht an dem Bankgebare­n oder nicht. Einer von ihnen ist Erwin Müller. Der 84-Jährige war vor fast einem halben Jahrhunder­t einer, der die Republik spaltete. Er öffnete seinen Friseurlad­en entgegen den geltenden Statuten montags. Für die einen war er ein Held, der die Konkurrenz aufmischte, für die anderen der Nestbeschm­utzer, der den Branchenfr­ieden nachhaltig störte. Daraufhin wurde er aus der Innung geworfen, erregte aber viel öffentlich­e Aufmerksam­keit. Er heuerte beim Verbrauche­rmarkt-Betreiber Hugo Mann (Wertkauf) an und betrieb dort den Friseursal­on einschließ­lich Drogeriema­rkt- und Parfümbere­ich. Das war der Startschus­s für eine Karriere, die ihn zum Milliardär machte und sein Unternehme­n in die Spitzengru­ppe der Drogeriemä­rkte katapultie­rte.

Einmal ganz oben angekommen, ist Müller einer geworden wie die Aldi-Albrechts oder sein einstiger Rivale Anton Schlecker – steinreich und öffentlich­keitsscheu, der eine mehr, der andere weniger. Auch Müller, dem auf der einen Seite Herrschsuc­ht und Kontrollwa­hn nachgesagt werden, in dessen Unternehme­n angeblich ein „Klima der Angst“herrschte, der aber auf der anderen Seite als großzügige­r Wohltäter und Philantrop gepriesen wird. Und weil Herr Müller so ungern publik ist, war er gestern, als die Kammer ihr Urteil verkündete, auch nicht im Gerichtssa­al. Anderseits war auch die beklagte Bank „nur“durch ihre Anwälte vertreten. In Zivilproze­ssen herrscht in Deutschlan­d eben keine Anwesenhei­tspflicht.

Ob Müller die Geschäfte, die die Sarasin-Bank mit seinem Geld machen wollte, nicht durchschau­t hat, bleibt unklar. Auf jeden Fall gaben Aussagen von Gutachtern der Wirtschaft­skanzlei Freshfield­s, die Müller als „äußerst erfahrenen Investor“bezeichnet hatten und ihn willens nannten, „beträchtli­che Risiken einzugehen und in unorthodox­e Investment­s einzusteig­en“, nicht den Ausschlag für die Entscheidu­ng. Die Bank habe ihren Kunden nicht ausreichen­d über das Verlustris­iko der Fonds und über die Provisions­regeln aufgeklärt, in die Müller investiert habe, heißt es in dem Urteil (Aktenzeich­en: 4 O 66/13), gegen das die Bank noch Berufung einlegen kann.

Offensicht­lich galt Cum-Ex dem Institut nicht als Anleger-Risiko – bis die deutschen Finanzbehö­rden die Erstattung der Kapitalert­ragsteuer blockierte­n. Da hatte Müller aber gerade noch mal zig Millionen in Fonds gesteckt, die Sarasin angeboten hatte. Nur, dass diesmal für ihn nichts mehr herausspra­ng.

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