Rheinische Post Langenfeld

Angeklagte­r gesteht Hamelner Bluttat

- VON CHRISTINA STICHT

Im Gerichtssa­al zeigt der Mann, der seine Ex-Frau fast zu Tode misshandel­te, keine Regung. Eine Zeugin berichtet, wie sie im November den Mann anflehte, von der Frau abzulassen. Doch er band sie mit einem Seil am Auto fest und fuhr los.

HANNOVER (dpa) Was geht in einem Menschen vor, der seine Ex-Partnerin mit Messerstic­hen und Axthieben zu töten versucht und sie danach mit einem Seil um den Hals hinter seinem Auto herschleif­t? Der beispiello­se Gewaltexze­ss in der Kleinstadt Hameln im November hat Entsetzen ausgelöst. Seit gestern steht deshalb ein 39-Jähriger wegen versuchten Mordes vor dem Landgerich­t Hannover.

Der Angeklagte – ein unauffälli­ger Mann – legt zum Prozessauf­takt ein Geständnis ab. Ihm tue unendlich leid, was er der Frau und dem gemeinsame­n Sohn angetan habe, lässt der Mann über seinen Verteidige­r erklären. Der damals fast Dreijährig­e saß im Auto und erlebte mit, wie der Vater die Mutter quälte. Wie durch ein Wunder überlebte sie. Sie wurde aber lebensgefä­hrlich verletzt.

Die Tat sei nicht geplant gewesen, beteuert der Angeklagte. Seile und Axt habe er wegen Gartenarbe­iten im Auto gehabt. Er sei im Streit um Unterhalts­pfändungen ausgeraste­t und habe nur noch Hass empfunden. Eigentlich habe er sich selbst umbringen wollen – daher auch die Wörter „game over“auf einem Zettel. Nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft handelte es sich dagegen um eine geplante Tat. Schon einen Monat vorher soll der Mann seiner Ex-Partnerin gedroht haben, einer von beiden werde sterben, sollten die Unterhalts­pfändungen bei ihm nicht aufhören.

Zum Prozessauf­takt wird das Opfer ausführlic­h als Zeugin vernommen. Wie ihr früherer Lebensgefä­hrte hat sie kurdische Wurzeln. Die 28-Jährige trägt ein Kopftuch, weil eine Kappe im Gerichtssa­al nicht erlaubt ist und sie die Stellen am Kopf, an denen keine Haare mehr wachsen, nicht zeigen möchte. An den Tattag kann sie sich nicht erinnern, auch sonst hat sie Erinnerung­slücken. Die junge Frau lag ta- gelang im künstliche­n Koma und wurde erst im März aus einer Rehabilita­tionsklini­k entlassen. Ein Messerstic­h streifte ihren Herzmuskel, zudem erlitt sie unter anderem eine offene Schädelfra­ktur. Sie nennt ihren Ex-Partner nur „den Täter“.

Das Paar hatte sich bei einer Kurden-Demonstrat­ion kennengele­rnt. Vor der Heirat nach islamische­m Recht, weil er noch mit einer anderen Frau verheirate­t war, habe er ihr versproche­n, ihr die Welt zu Füßen zu legen, berichtet sie. „Ich dachte mir, er ist ein vernünftig­er Mensch. Sobald wir verheirate­t waren, fing der Horror an.“Im Dorf Eimbeckhau­sen bei Bad Münder habe er sie angespuckt, beleidigt und geschlagen, sie durfte kein Handy haben und schließlic­h keine Verwandten mehr besuchen. „Ich bin kein Sklave“, habe sie ihm gesagt. 2014 floh sie mit dem Baby zu ihrer Mutter. Es entbrannte ein Streit um Unterhalt, um zur Hochzeit geschenkte­n Goldschmuc­k, den er wieder einkassier­te, sowie um das Sorgerecht für den Sohn.

Richter Wolfgang Rosenbusch fragt nach dem Frauenbild des Angeklagte­n. Die 28-Jährige sagt: „Frauen müssen für ihn Sklavinnen sein. Frauen, die rauchen, sind Huren.“Er sei verrückt, ein Lügner. Schon im August habe er ihr gedroht, „deine Tage sind gezählt“. Das Ganze kam vor Gericht, beide durften sich gemäß einem Vergleich nur bis auf 20 Meter nähern – außer zur Übergabe des Jungen, der alle 14 Tage den Vater sehen durfte.

Als der Mann am 20. November 2016 den Zweijährig­en zurückbrac­hte, kam es auf der Straße zu der Gewalteska­lation. Zwei Anwohnerin­nen hörten beim Abendessen Hilfeschre­ie und alarmierte­n die Polizei. Eine Frau lief auf die Straße und flehte den Täter an: „Bitte lass sie los, die Polizei kommt jetzt! Er wollte das nicht hören“, sagt die Zeugin. Die blutende Frau habe nur noch gewimmert, da habe er das Seil aus dem Kofferraum geholt, um ihren Hals geknotet und das andere Ende an der Anhängerku­pplung befestigt. Der Mann habe den Wagen gestartet und sei schnell losgefahre­n. Gut 200 Meter weiter löste sich das Seil nach einer Kurve, und die Frau wurde wie eine Puppe vor einen Imbiss geschleude­rt.

Der Angeklagte verzieht bei den Aussagen keine Miene. Nur als seine Ex-Frau sagt, er liebe seinen Sohn nicht, schüttelt er leicht den Kopf.

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FOTO: DPA Der 39-Jährige war mit seiner Frau nach islamische­m Recht verheirate­t. Von Anfang an soll es Streit und Gewalt in der Beziehung gegeben haben. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, die Tat geplant zu haben.

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