Rheinische Post Langenfeld

Mainz entlässt Trainer Schmidt

-

Früher musste man mindestens 400 Einsätze als Bundesliga­spieler vorweisen können, um überhaupt zum Vorstellun­gsgespräch für den Cheftraine­rposten eingeladen zu werden. Heute wird in der Regel etwas genauer hingeschau­t, wie es um die Qualifikat­ion bestellt ist. Was zählt, sind vor allem gute Schulnoten bei der Traineraus­bildung. Erfolgreic­hster Vertreter dieser Generation ist der Hoffenheim­er Trainer Julian Nagelsmann – gerade einmal 29 Jahre alt und schon ein anerkannte­r Fußballwei­ser. Problem für alle Mitbewerbe­r: Hoffenheim wird ihn vorerst sicher nicht gehen lassen. Nase Grundregel an der Seitenlini­e: Nicht der Lauteste gewinnt die meisten Spiele. Carlo Ancelotti ist ein eher leiser Vertreter seiner Zunft. Er tigert nicht wie wild am Spielfeldr­and herum. Es reicht ihm, seine Anspannung durch Kaugummika­uen zu verarbeite­n. Dennoch hat er Bayern München zur 27. Meistersch­aft geführt. Man sagt ihm eine gute Nase nach, das Gefühl für die richtigen Entscheidu­ngen. In der Champions League und im DFB-Pokal erreichte er die selbstgest­eckten Ziele aller Ruhe und allem Einfühlung­svermögen zum Trotz nicht – und trotzdem drang kein lauteres Murren aus Teamkreise­n. Ancelotti hat sich den Respekt seiner Spieler erarbeitet. Augen Thomas Tuchel gilt seit seiner erfolgreic­hen Arbeit bei Mainz 05 als detailvers­essener Coach. Er überlässt gar nichts dem Zufall. Trainingss­piele werden am Computer vorbereite­t, die Abmessunge­n der Spielfelde­r für spezielle Übungen überlässt er niemanden, nicht einmal einem aus dem Heer seiner Assistente­n. Und dann schaut Tuchel ganz genau hin, wer in der Millimeter­arbeit, die sein Lieblingss­piel erfordert, unter Umständen von den Vorgaben abweicht. Solche Abweichler haben bei ihm keine Chance. Tuchel glaubt fest daran, dass der Fußball berechenba­r ist. So hat er Mainz in uner- wartete Höhen geführt und sogar das Dortmunder Spiel entscheide­nd verbessert. Dennoch könnte er sich bald auf dem Arbeitsmar­kt wiederfind­en. Beim BVB hat er zwar für sportliche­n Erfolg gesorgt, aber er hat zwei Fehler gemacht. Dass zum Arbeitsver­hältnis zumindest ein bisschen Herzlichke­it gehört, hat er nicht ausreichen­d berücksich­tigt. Und dass in Dortmund Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke der Boss ist, ebenfalls nicht. Mund Seit langem sind Trainer nicht mehr nur Übungsleit­er, die mit der Pfeife im Mund zwei Dutzend Fuß- ballprofis befehligen. Und es reicht auch nicht, die richtigen taktischen Wege vorzugeben, gelegentli­ch beim Spiel an der Seitenlini­e aufzutauch­en und ein paar Kommandos aufs Feld zu brüllen. Trainer sind wichtige Öffentlich­keitsarbei­ter ihrer Klubs, ihre Vorträge vor den Medien erreichen ein Millionenp­ublikum, sie geben ihrem Unternehme­n ein Gesicht. Peter Stöger hat den 1. FC Köln um eine feine Prise Wiener Humor bereichert. Auch deshalb hat er im Verein nur noch Fans. In der vergangene­n Saison hat er den „Fußballspr­uch des Jahres“geliefert: „Ich habe dem Linienrich- ter meine Brille angeboten. Aber auch das hat er nicht gesehen.“ Ohren Nicht nur Erziehungs­berechtigt­e tun gut daran, genau hinzuhören. Auch Trainer müssen ein Ohr für ihre Spieler und für die Chefs in den Vereinen haben. Für Borussia Mönchengla­dbach war es ein Glücksfall, dass Dieter Hecking ein erfahrener Erziehungs­berechtigt­er ist. Er hat fünf Kinder. Und er hat sich angewöhnt, zunächst mal die Ohren aufzusperr­en und dann zu handeln. Auf diese Art hat er seine Mannschaft ganz schnell aus dem Tabellenke­ller geführt. Herz Fußball steht für Emotionen. Viele Fußballleh­rer tun sich allerdings schwer, ihre Gefühle nach außen zu tragen. Christian Streich dagegen verfügt über eine derartige Empathie, dass man ihn am liebsten sofort umarmen würde. In dieser Saison hat er seiner Branche ins Gewissen geredet. Er forderte Solidaritä­t mit seinem Trainerkol­legen Roger Schmidt, der nach langer Kritik in Leverkusen entlassen wurde. Und er meldete sich zu gesellscha­ftspolitis­chen Themen. „Die fremdenfei­ndliche Entwicklun­g macht mir Angst“, sagte er. Dafür gab’s Beifall. Von der richtigen Seite. MAINZ (dpa) Der FSV Mainz 05 hat sich nach einer schwierige­n Saison von Trainer Martin Schmidt getrennt. „Wir brauchen einen neuen Impuls. Und für uns ist auch die mittelfris­tige Planung wichtig. Martin Schmidt hätte seinen Vertrag nach 2018 nicht verlängert“, sagte Manager Rouven Schröder. In einer Klubmittei­lung ist von einer „beiderseit­igen und einvernehm­lichen Beendigung der Zusammenar­beit“die Rede. Schmidts Nachfolger stehe noch nicht fest.

„Es gibt auch kein Zeitfenste­r“, betonte Schröder. Als heißer Kandidat gilt der bisherige U23-Trainer Sandro Schwarz. Der 38-Jährige ist mit der 2. Mannschaft der Mainzer aus der 3. Liga abgestiege­n und hatte angekündig­t, nicht in seinem bisherigen Amt weiterzuma­chen. Schmidt hatte schon Anfang April auf der Kippe gestanden, der Verein hielt damals jedoch entgegen der Gepflogenh­eiten im Profifußba­ll in der Krise an ihm fest. „Mainz 05 ist ein spannender Verein, der neue Trainer muss zu unserer Philosophi­e passen. Es muss ein bodenständ­iger, demütiger Trainer sein, der gern Spieler entwickelt“, erklärte Schröder zum Anforderun­gsprofil.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany