Rheinische Post Langenfeld

Rentner überfallen und Haus angezündet

- VON ALEXANDRA RÜTTGEN UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In Haan ist ein 82-Jähriger nachmittag­s in seinem Haus überfallen worden. Vier Stunden war er in der Gewalt der Täter, die anschließe­nd sein Haus anzündeten. Laut LKA haben solche Raubüberfä­lle im vergangene­n Jahr zugenommen.

HAAN Es ist etwa Viertel nach drei am Mittwochna­chmittag, als zwei Männer in ein Einfamilie­nhaus in Haan eindringen. Dessen Besitzer ist nicht daheim, sondern kommt erst später von einer Fahrt aus der Stadt zurück. Er parkt seinen BMW vor dem Garagentor, schließt die Haustür auf und läuft den Einbrecher­n direkt in die Arme. Sie schlagen auf den 82-Jährigen ein und bedrohen ihn. Er sollte ihnen verraten, wo er Geld und Wertsachen aufbewahre. Die Kriminelle­n sperren ihr Opfer im Keller ein, durchsuche­n das Haus. Anschließe­nd bringen sie den Mann ins Wohnzimmer, fesseln ihn, ziehen ihm einen Sack über den Kopf und schütten im gesamten Haus Benzin aus. Sie bringen den 82-Jährigen nach draußen in den Garten, drohen ihm mit dem Tod. Dann zünden sie sein Haus an – so schildert es die Polizei.

Der Fall hat bundesweit Entsetzen hervorgeru­fen. Selbst erfahrene Ermittler sprechen von einem „besonders krassen“Raubüberfa­ll, den sie in der Form noch nicht erlebt haben. Mehr als vier Stunden dauerte das Martyrium des 82-Jährigen, ehe Feuerwehr und Polizei anrückten, die wegen des Brandes von Nachbarn alarmiert worden waren. Ein Notarzt untersucht­e den Mann, der trotz der Misshandlu­ngen, die von der Polizei nicht näher beschriebe­n wurden, weitgehend unverletzt blieb. Das Haus wurde durch das Feuer stark beschädigt und ist derzeit unbewohnba­r. Der 82-Jährige kam laut Polizei bei Freunden unter.

Noch ist nicht geklärt, ob die Täter, von denen jede Spur fehlt, dem Rentner gezielt in seinem Haus aufgelauer­t haben oder ob dieser sie überrascht hat. Der Tatort wurde von Experten des Landeskrim­inalamtes (LKA) nach möglichen Spuren abgesucht. Bislang weiß man von den Tätern offenbar nur, dass sie Deutsch mit einem russischen Akzent sprachen.

Die Wahrschein­lichkeit, dass sie gefasst werden, ist verhältnis­mäßig hoch. Nach Angaben des LKA können mehr als zwei Drittel der in Wohnungen und Häusern begangenen Raubüberfä­lle aufgeklärt werden. „Das liegt unter anderem am Täter-Opfer-Kontakt. Wer so eine Tat begeht, hinterläss­t meist Spuren“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen. Die Zahl dieser Fälle hat 2016 aber deutlich zugenommen – um fast zehn Prozent. So wurden laut LKA im vergangene­n Jahr 817 Menschen in ihren eigenen vier Wänden überfallen. Im Jahr davor waren es 745 gewesen. Im vergangene­n Jahr konnte die NRW-Polizei 848 Tatverdäch­tige ermitteln; 36 Prozent von ihnen waren laut LKA Ausländer.

In den meisten Fällen handelt es sich bei den Opfern um ältere, oft alleinsteh­ende Menschen. Die Polizei warnt daher auch vor organisier­ten gewaltbere­iten Tätergrupp­en, die es gezielt auf Rentner abgesehen haben. „Sie gehen wie jetzt in Haan mit brachialer Gewalt vor, um an die Wertgegens­tände zu kommen, die sie bei ihren Opfern vermuten“, erklärt ein Polizeihau­ptkommissa­r. Dabei nehmen sie auch in Kauf, dass ihr Opfer stirbt. So kam zum Beispiel vor zwei Jahren in Tönisvorst ein 81-Jähriger bei einem Raubüberfa­ll ums Leben. Der Rentner war überfallen und misshandel­t worden, die Täter flohen mit einer Armbanduhr und Zigaretten als Beute. Auch in diesem Fall konnten die Kriminelle­n später gefasst werden. Sie lebten in Bergheim, Straelen und Weeze. Einer besitzt die serbische, vier haben die deutsche Staatsbürg­erschaft. Ihre Eltern stammen aus Südosteuro­pa. Nachdem sie bereits wegen Raubs mit Todesfolge verurteilt worden waren, hob der Bundesgeri­chtshof das Urteil vor wenigen Wochen auf, weil es sogar Mord gewesen sein könnte. Das neue Urteil steht noch aus.

Dem Opferverba­nd Weißer Ring bereitet die Zunahme der Fälle Sorgen. Besonders Senioren litten nach solchen Erlebnisse­n oft an posttrauma­tischen Belastungs­störungen, so eine Expertin. Sich zu Hause nicht mehr sicher zu fühlen, sei gerade für alte Menschen das Schlimmste, was ihnen passieren könne, betont sie.

Das LKA rät Opfern, die Forderunge­n der Täter zu erfüllen. „Man weiß nie, wie sie bewaffnet und wozu sie fähig sind“, sagt Scheulen. Es habe keinen Sinn, Widerstand zu leisten. „Man soll auf keinen Fall mögliche Fluchtwege verbauen. Stattdesse­n sollte man sich möglichst viele Dinge merken wie Aussehen, Sprache und Details zum Fluchtweg.“

In dem Viertel in Haan, in dem der 82-Jährige ausgeraubt worden ist, herrscht zum Teil große Verunsiche­rung. Manche wollen jetzt ihr Haus besser schützen. Jürgen Weiß wohnt in der Siedlung, er kennt den 82-Jährigen. „Er ist ein ruhiger Mann, lebt sehr zurückgezo­gen“, sagt er. „Die sollen ihm gedroht haben, dass sie ihm die Finger abschneide­n.“Sein Nachbar habe Entsetzlic­hes erlebt. „Vier Stunden war er diesen Leuten ausgesetzt. Und dann saß er nackt im Garten. Können Sie sich das vorstellen?“

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FOTO: OLAF STASCHIK Nachbarn hatten die Feuerwehr alarmiert, die den Brand schnell löschen konnte. Das Haus wurde dennoch stark beschädigt und ist derzeit unbewohnba­r.

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