Rheinische Post Langenfeld

Studenten praktizier­en auf dem Campus

- VON ISABELLE DE BORTOLI FOTO: PETER LESSMANN/UNI MÜNSTER

Die Uni Münster bietet ihren Medizinstu­denten eine NRW-weit einmalige Einrichtun­g: die Campus-Praxis.

MÜNSTER Eine Praxis, in der Medizinstu­denten die Arbeit von Hausärzten kennenlern­en – das gibt es an allen Hochschuls­tandorten, an denen man Medizin studieren kann. Aber eben meist nur für wenige Wochen, etwa bei der einmonatig­en Pflichtfam­ulatur in einer Lehrpraxis. In Münster gibt es nun die Campus-Praxis: Dort können Studenten Patienten über Monate hinweg begleiten, sie untersuche­n und versorgen. Ziel ist es, in und mit der Campus-Praxis die allgemeinm­edizinisch­e Lehre in Münster zu intensivie­ren.

Zwei Fachärztin­nen für das Medizinisc­he, dazu vier weitere Praxiskoll­eginnen: Auf den ersten Blick wirkt die sechste Etage eines Büroturms wie eine ganz normale Hausarztpr­axis. Tatsächlic­h handelt es sich aber um eine Art Außenstell­e der münstersch­en Universitä­tsmedizin. Denn hier werden Medizinstu­denten bereits ab ihrem ersten Semester ausgebilde­t.

„Studenten, die besonders an der Allgemeinm­edizin interessie­rt sind, können hier die Langzeitbe­treuung von Patienten erleben“, sagt Peter Maisel, Leiter des Centrums für Allgemeinm­edizin der Medizinisc­hen Fakultät Münster und selbst Facharzt für Allgemeinm­edizin. „Dabei wird die Verantwort­ung, die dem Studenten übertragen wird, an seinen bisherigen Kenntnisst­and angepasst.“

Die Patienten der Campus-Praxis kommen wie in jeder anderen Hausarztpr­axis aus der Umgebung. Es wird bewusst keine Vorauswahl getroffen, sodass die Patienten die ganze Breite allgemeinm­edizinisch­er Versorgung kennenlern­en. „Die Studenten nehmen in der Praxis an der normalen Sprechstun­de teil und bekommen dabei auch die Gelegenhei­t, die Patienten zunächst alleine zu befragen und zu untersuche­n, und sie dann den Fachärztin­nen vorzustell­en“, sagt Peter Maisel. „Die Studenten lernen hier in Anamnese und Befund die Krankheits­bilder und Beratungsa­nlässe näher kennen, die in einer stationäre­n Versorgung in der Klinik überhaupt nicht vorkommen.“Das seien beispielsw­eise Impfungen und Vorsorgeun­tersuchung­en, Heim- und Hausbesuch­e oder ein Erstkontak­t mit einem Patienten mit unspezifis­chen Symptomen.

Laut der Universitä­tsmedizin Münster ist die Campus-Praxis in NRW einmalig. „Während in einem normalen Praktikum ein Student einen Patienten nur eine bestimmte, meist kurze Zeit lang begleiten kann, ist das hier mittels Wahlpflich­t-Kursen über Monate oder noch länger möglich. Das ist gerade bei chronische­n Erkrankung­en eine wertvolle Option“, sagt Peter Maisel. Spezielle Lehrprojek­te sollen gezielt die Studenten ansprechen und motivieren, die eine Zukunft in der Allgemeinm­edizin in Erwägung ziehen. „Natürlich hoffen wir, damit auch einen Beitrag zum Abbau des Mangels an Allgemeinm­edizinern zu leisten“, sagt Maisel.

Selbst die Technik der CampusPrax­is ist auf das dahinterst­ehende Konzept abgestimmt: Die Räume werden so ausgestatt­et, dass Übertragun­gen in die etwa zwei Kilome- ter entfernten Hörsäle möglich sind. „So kann eben nicht nur in, sondern mit der Praxis gelehrt werden“, sagt Maisel. Außerdem sollen Patienten – natürlich mit ihrem Einverstän­dnis – auch um die Teilnahme an Vorlesunge­n und Seminaren gebeten werden, um die Lehre noch praxisnahe­r und damit auch interessan­ter zu gestalten.

In Zukunft sollen auch Staatsexam­ensprüfung­en in der CampusPrax­is durchgefüh­rt werden. Diese sind bisher in einer normalen Lehrpraxis für Allgemeinm­edizin wegen des großen Aufwandes nur schwer umzusetzen. „Außerdem wollen wir erreichen, dass auch in der Allgemeinm­edizin die Patientenv­ersorgung auf dem Campus direkt erlebbar wird – und damit als Teil der universitä­ren Medizin wahrgenomm­en wird, wie es in den anderen Fächern, die vielleicht eher im Krankenhau­s stattfinde­n, auch der Fall ist“, so Maisel.

Ein früher und stetiger Kontakt mit der Allgemeinm­edizin präge die Haltung gegenüber dem Fach. Denn: Zwar ist die Allgemeinm­edizin nach der Inneren Medizin das Fach, in dem sich die meisten Stu- denten (35 Prozent) eine Weiterbild­ung vorstellen können – so das Ergebnis einer Untersuchu­ng der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g mit der Universitä­t Trier. Allerdings wählen aktuell nur rund zehn Prozent der Studenten dieses Fach dann auch als Weiterbild­ungsziel.

„Das hat unseres Erachtens auch viel mit den Rahmenbedi­ngungen der späteren Arbeit zu tun, die negativ wahrgenomm­en werden“, sagt Allgemeinm­ediziner Maisel. „Daher ist die Attraktivi­tätssteige­rung der Allgemeinm­edizin eine gemeinsame Aufgabe aller Beteiligte­n – von den Hochschule­n über die Ärztekamme­rn, Krankenkas­sen bis zu den Ärzten selbst.“

Die Hochschule­n könnten aber den Studenten das Wissen und Können der hausärztli­chen Versorgung nahebringe­n. „Wenn dabei die Freude und Befriedigu­ng, die diese Tätigkeit bietet, auf die Studierend­en überspring­t, und sie für dieses Fach motiviert, ist das ein erfreulich­er Zusatzeffe­kt“, sagt Maisel.

 ??  ?? In den Räumen der Lehrpraxis: In Seminaren werden die Medizinstu­denten auf ihre Arbeit in der Hausarztpr­axis vorbereite­t.
In den Räumen der Lehrpraxis: In Seminaren werden die Medizinstu­denten auf ihre Arbeit in der Hausarztpr­axis vorbereite­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany