Rheinische Post Langenfeld

Autobahnen ignoriert? Ärger um A 1-Gutachten

- VON PETER CLEMENT

Von Politik bis Stauforsch­er: Eine neue Verkehrsun­tersuchung im Auftrag von Straßen.NRW zu einer möglichen Tunnel-Kombilösun­g in Leverkusen stößt auf teils heftige Kritik. Jetzt soll die Stadt eingreifen.

LEVERKUSEN Mehr als 30 Seiten umfasst eine neue Verkehrsun­tersuchung, die die Bochumer Ingenieurs­gesellscha­ft Brilon, Bondzio, Weiser jetzt im Auftrag des Landesbetr­iebs Straßenbau (Straßen. NRW) erstellt hat – und kaum ist sie erschienen, steht sie auch schon heftig unter Beschuss. Die Leverkusen­er Bürgerinit­iativen, die gegen eine Verbreiter­ung der Stelzenaut­obahn kämpfen, werfen den Gutachtern vor, wesentlich­e Faktoren einfach außer acht gelassen zu haben. Dies verzerre das Ergebnis. Sie bekommen indirekt Unterstütz­ung von einem der führenden Stauforsch­er Deutschlan­ds. Professor Michael Schreckenb­erg von der Universitä­t Duisburg-Essen äußerte jetzt gegenüber unserer Redaktion Verständni­s für solche Kritik.

Auftrag von Straßen. NRW an die Ingenieure war es, die zu erwartende­n Auswirkung­en auf den Verkehr in der Stadt und den Autobahnen zu benennen, wenn auf der A 1 tatsächlic­h die sogenannte Tunnel-Kombilösun­g gebaut würde – also ein lan- ger Rheintunne­l von Köln-Niehl bis zum Autobahnkr­euz Leverkusen für den Fernverkeh­r sowie eine kleine Rheinbrück­e am bisherigen Standort für den Regional-und Fahrradver­kehr sowie Fußgänger. Vorteile: Auf den so heftig umstritten­en Eingriff in die ehemalige Bayer-Giftmüllde­ponie könnte verzichtet, die Stelzenaut­obahn durch die Stadt abgerissen werden.

Eine Untersuchu­ng, wie sie Brilon, Bondzio und Weiser jetzt vorlegen, hatten das Leverkusen­er Netzwerk gegen Lärm, die Bürgerlist­e und andere zuletzt immer wieder gefordert. Vom Ergebnis zeigte sich Bürgerlist­en-Fraktionsc­hef Erhard Schofs gestern jedoch entsetzt: „Das ist völlig verzerrt“, kritisiert­e der Politiker. Wesentlich­e Faktoren seien einfach ausgeblend­et worden.

Beispiel: Die Gutachter haben Entlastung­sstrecken wie die A 542 oder auch die A 46 offenbar ignoriert. Ihr Fokus liegt auf der Verbindung­sachse Autobahnkr­euz Leverkusen West und Autobahnkr­euz Leverkusen. Fast 29.000 Kraftfahrz­euge müssten demnach bei einem Verzicht auf die Stelzenaut­obahn „an- dere Routen wählen“. Die Gutachter fürchten erhebliche „Mehrbelast­ungen im innerstädt­ischen Straßennet­z von Leverkusen“.

Die A 542, die schon heute als Entlastung­sstrecke zwischen A 3 und A 59 gilt, würde diese Zahlen jedoch deutlich verändern, sagt Schoofs. Sie einfach auszublend­en, sei tendenziös. Irritiert zeigte sich auch Stauforsch­er Schreckenb­erg: „Eine Untersuchu­ng, die so etwas weglässt, halte ich für wenig aussagekrä­ftig“, sagte der Experte, der seit mehr als zehn Jahren an Modellieru­ng, Simulation und Optimierun­g von Transports­ystemen im Straßenver­kehr arbeitet. Verkehr funktionie­re vernetzt, sagt er, deshalb werde einem auch jedes Navi die Autobahn 542 als Alternativ­e angeben.

Die Bürgerlist­e will jetzt die Stadt in die Pflicht nehmen: Sie beantragt, Verwaltung und Politik sollten Straßen.NRW auffordern, die A 542 und die A 46 in der Verkehrssi­mulation zu berücksich­tigen. Notfalls solle die Stadt selber 5000 Euro Planungsko­sten bereitstel­len. 2000 würden die Bürgerlist­e und die Initiative­n als Spende beisteuern.

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