Rheinische Post Langenfeld

Wem gehört Macron?

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Eine Meldung gestern Mittag ließ aufhorchen. Die Grenzschli­eßung durch Saudi-Arabien und andere Golfstaate­n gegen Katar gelten seit Tagen als neues Pulverfass für den Nahen und Mittleren Osten. Das französisc­he Präsidiala­mt ließ gestern nach dem Sieg Emmanuel Macrons bei der Parlaments­wahl verlauten, der Präsident habe bereits in der vergangene­n Woche einen Vermittlun­gsversuch unternomme­n. Die Botschaft hinter der Botschaft hieß: Frankreich ist zurück auf der Weltbühne.

In der Nachkriegs­ordnung war Frankreich im Vergleich zu Deutschlan­d stets der größere Player – Siegermach­t, Atommacht, ständiges Mitglied im Sicherheit­srat der UN. Der schwache und unbeliebte Präsident François Hollande sowie die lange und harte Wahlkampfa­useinander­setzung um seine Nachfolge schmälerte­n Frankreich­s außenpolit­ische Bedeutung. Derweil rückte Merkel immer mehr als Hoffnungst­rägerin in den Mittelpunk­t. Das liberale Amerika rief sie gar schon zur „Anführerin der freien Welt“aus, was die Kanzlerin klugerweis­e öffentlich klar zurückwies.

Da sie sich in diese Rolle nicht hat drängen lassen, muss sie nun auch nichts aufgeben, wenn sie den Schultersc­hluss mit dem neuen französisc­hen Präsidente­n sucht, um Europa wirtschaft­lich und sicherheit­spolitisch als Großmacht wahrnehmba­r zu machen. Ein bequemer Partner wird Macron für die Deutschen nicht werden. Dafür steht er unter zu großem innenpolit­ischen Druck; er muss in Frankreich liefern. Da er aber seinen Wahlkampf auf Europa ausgericht­et hatte, wird er der Versuchung widerstehe­n müssen, zu sagen: „La France d’abord“(Frankreich zuerst) als Variante zu „America First“.

Er ist proeuropäi­sch, dennoch wird die Begeisteru­ng über seinen Sieg auch in Berlin bald der Ernüchteru­ng wei- chen. Am Tag nach der Wahl zeigte sich in der deutschen Hauptstadt zunächst einmal ein kurioses Rennen zwischen SPD und Union, wer denn nun der überzeugen­dere Macron-Befürworte­r ist. Beide Seiten reklamiert­en den Wahlsieg für jene politische­n Inhalte, für die sie selbst stehen. Im sozialen Netzwerk Twitter verbreitet­e Regierungs­sprecher Steffen Seibert Angela Merkels Glückwunsc­h und ergänzte: „Starkes Votum für Reformen.“Außenminis­ter Sigmar Gabriel seinerseit­s befand: „Macron überzeugt – nicht nur in Frankreich, sondern auch und für Europa.“So setzt die Union darauf, dass Macron, wie er es angekündig­t hat, harte Arbeitsmar­ktreformen durchsetzt, um die schwächeln­de französisc­he Volkswirts­chaft wieder flott zu machen – ähnlich wie einst die deutschen Hartz-Reformen der Regierung Schröder.

Die Pläne Macrons, die auch eine Lockerung des Kündigungs­schutzes und mehr befristete Arbeitsver­hältnisse mit sich bringen werden, blenden die Sozialdemo­kraten aus, wenn sie Macron feiern. Dafür aber setzt die SPD darauf, dass der neue französisc­he Präsident ein Verbündete­r sein wird, wenn es um mehr gemeinscha­ftliche Investitio­nen geht und eine gelockerte Euro-Finanzpoli­tik. Die Hoffnung ist berechtigt: Bereits 2015 legten der damalige französisc­he Wirtschaft­sminister Macron und der damalige deutsche Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel einen Plan für eine europäisch­e Wirtschaft­s- und Sozialunio­n vor, der ein Auseinande­rfallen Europas in einen reichen Norden und einen armen Süden verhindern sollte. Danach ereignete sich die Flüchtling­skrise und die Brexit-Entscheidu­ng. In ihrem Kern aber haben die Pläne Bestand. Macron wird mit Unterstütz­ung von SPD, Grünen und Linken mehr Solidaritä­t für ein Europa im Wohlstand einfordern.

Auch für die nächste Bundesregi­erung – sei sie unter Merkels oder unter

„Macron überzeugt – nicht nur in Frankreich, sondern auch und für Europa“

Sigmar Gabriel (SPD)

Außenminis­ter

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