Tränengas am russischen Nationalfeiertag
Die Opposition ruft zu Protesten gegen die Staatsmacht auf. Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wird festgenommen.
MOSKAU Für den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny endete der „Volks-Spaziergang“, zu dem er aufgerufen hatte, schon im Treppenhaus seines Wohnhauses in einem Moskauer Vorort. Dort wartete bereits die Polizei, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Am Vorabend hatte der Antikorruptionskämpfer das Volk kurzfristig zum Flanieren auf Moskaus Prachtboulevard aufgefordert, der Twerskaja. Für den „Tag Russlands“, den nationalen Feiertag, hatte Nawalny, Betreiber des „Fonds zum Kampf mit Korruption“, eine Protestaktion angekündigt.
Mit der Stadtverwaltung war vorher jedoch ein anderer Versammlungsort abgestimmt worden. Am Sonntagabend stellte sich heraus, dass die Stadt Maßnahmen traf, um die Veranstaltung zum Flop werden zu lassen, sagte Nawalny. Weder waren Firmen bereit, eine Bühne aufzustellen, noch fanden sich Unternehmen, die Soundanlage und Vi- deoleinwand vermieten wollten. Die Stadt hätte den Unternehmern mit Konsequenzen gedroht, meinte der Volkstribun auf seinem Youtube-Kanal und spielte Telefonate mit Firmenmitarbeiten ein, die die Absagen auf Interventionen von außen schoben. Wer in Moskau noch einmal ein Bein auf den Boden bekommen wolle, solle sich fernhalten, so der Tenor. Volkstribun und PutinHerausforderer Nawalny hatte Parteigänger daraufhin aufgefordert, sich mit der russischen Trikolore unter das Volk auf der Flaniermeile im Zentrum zu mischen. Dort feierte Moskau unter dem Motto „Zeiten und Epochen“, die sich als eine „Geschichte der Siege“darstellten.
Es kam zu Demonstrationen. Medienberichten zufolge wurden an die 100 Personen festgenommen. In St. Petersburg konnte ein Reporter der Nachrichtenagentur AP sehen, wie mehr als 200 Menschen abgeführt wurden. Aus Wladiwostok wurden elf Festnahmen gemeldet. Augenzeugen berichteten von Trä- nengas-Granaten. Es war das größte öffentliche Zeichen der Unzufriedenheit der Russen mit der Regierung von Präsident Wladimir Putin seit Jahren. Die Demonstranten würden sich unangemessen verhalten, sagte Wladimir Tschernikow, Leiter der Abteilung für regionale Sicherheit und Anti-Korruption.
Das harte Vorgehen der Polizei ist nicht ungewöhnlich. Bereits im März waren etliche Menschen – darunter auch Nawalny – bei Demonstrationen festgenommen worden.