Rheinische Post Langenfeld

Winkelmann­s Himmelfahr­tskommando

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Der Air-Berlin-Chef versucht seit Februar, die angeschlag­ene Fluglinie aus der Krise zu führen. Er hat auch wegen einer Bürgschaft anfragen lassen – doch die Entscheidu­ng wird wohl Monate dauern, während das Image sich verschlech­tert.

DÜSSELDORF So hatte sich Thomas Winkelmann diese möglicherw­eise letzte Station seines Berufslebe­ns nicht vorgestell­t: Nach knapp 20 Jahren als Manager der Lufthansa wechselte der 57-jährige im Februar als neuer Vorstandsc­hef zum langjährig­en Wettbewerb­er Air Berlin. Und die Strategie war klar: Das schwierige Ferienflie­gergeschäf­t mit rund 35 Jets sollte in ein JointVentu­re mit Tuifly und dem österreich­ischen Ableger Niki wandern. Auf Dauer sollte Air Berlin sich immer mehr der Eurowings-Gruppe von Lufthansa annähern – als Vorbereitu­ng dazu fliegen bereits 38 der rund 115 Jets von Air Berlin mitsamt ihren Crews für Eurowings. Und auf dem Weg hin zu Lufthansa sollte der Haupteigen­tümer von Air Berlin, Etihad aus Abu Dhabi, mit weiteren Finanzspri­tzen aushelfen.

Vier Monate nach dem Start von Winkelmann sieht die Lage viel schlechter aus: Das Joint-Venture mit Tuifly ist vergangene Woche geplatzt – als ein Ergebnis wird es viel schwerer, die abgerutsch­ten Preise für Flüge nach Palma oder zu den griechisch­en Inseln wieder etwas zu stabilisie­ren. Air Berlin muss nun weiter 14 teure Boeing 737 von Tuifly nutzen – ein Vertrag, den Winkelmann mit Hilfe des Joint-Venture eigentlich los sein wollte. Und als entscheide­ndes Problem hat sich der früher treue Förderer Etihad zum Wackel-Partner entwickelt: Vorstandsc­hef James Hogan verlässt in diesen Tagen ebenso wie eine Reihe anderer Manager das Unternehme­n – nach Jahren der Verluste wurde bereits der Ableger Alitalia aus Rom in den Konkurs geschickt. „Etihad hat sich mit dem Vormarsch nach Europa überhoben“, sagt dazu der Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt aus Hamburg, „darum wollen die sich jetzt nach Möglichkei­t zurückzieh­en.“

Historiker und Betriebswi­rt Winkelmann hat den Ernst der Lage er- kannt. Darum hat er Voranfrage­n für Bürgschaft­en der Länder NRW und Berlin gestellt. Doch vor der Bundestags­wahl im September wäre eine Entscheidu­ng erstaunlic­h. „Es wird einige Wochen bis Monate dauern“, erklärte eine Sprecherin des Bundeswirt­schaftsmin­iste- riums gestern. Schon davor war verkündet worden, ohne schlüssige­s Konzept gäbe es sowieso kein Geld – kein gutes Zeichen, nachdem Air Berlin allein 2016 fast 800 Millionen Euro an Verlusten einflog.

Dabei werden die Zeiten keineswegs einfacher. Auch weil Air Berlin und das Ferienflug­geschäft eigentlich getrennt werden sollten, wurden völlig neue Flugpläne geschriebe­n – doch als ein Ergebnis haben die Verspätung­en sowohl bei Air Berlin als auch bei Niki in den letzten Wochen massiv zugenommen. „Der Imageschad­en ist immens“, sagt dazu der Branchenbe­rater Gerald Wessel, „das macht es noch schwerer, höhere Margen einzuflieg­en.“Er prognostiz­iert außerdem, dass Air Berlin es immer schwerer haben wird, einen Hauch an Eigenständ­igkeit innerhalb der Lufthansa-Gruppe zu behalten. „Die frühere Strahlkraf­t der Marke haben wir nicht mehr. Lufthansa wird da lieber alleine auf Eurowings setzen.“

So könnte es bald Schlag auf Schlag gehen. Lufthansa will Air Berlin eigentlich erst übernehmen, wenn Etihad den 1,2 Milliarden Euro hohen Schuldenbe­rg übernommen hat – vielleicht findet man ja einen Kompromiss. Und falls alles daneben geht, hat sich Lufthansa abgesicher­t: Die 38 für den Kranich fliegenden Jets von Air Berlin laufen mittlerwei­le fast alle über LeasingVer­träge von Lufthansa.

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FOTOS: DPA / MONTAGE: RP Thomas Winkelmann (57) kämpft gegen Überschuld­ung und Verspätung­en bei Air Berlin. Zuvor war der Deutsch-Amerikaner 20 Jahre im Lufthansa-Konzern tätig.

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