Vorermittlungen gegen Kriminalpolizei
Die Staatsanwaltschaft prüft, ob die Pannen nach dem Doppelmord in Bilk Strafvereitelung waren.
Der Doppelmord an der Karolingerstraße in Bilk, den zwei Ermittler der Kriminalpolizei im Mai 2016 irrtümlich als erweiterten Suizid behandelt hatte, könnte ein juristisches Nachspiel auch für die Beamten haben. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob die fehlerhafte Ermittlung den Tatbestand einer Strafvereitelung erfüllen könnte. Das würde voraussetzen, dass vorsätzlich nachlässig gearbeitet wurde.
Auch das Landgericht Gießen befasste sich gestern im Mordprozess gegen die mutmaßliche Serientäterin Tuba S. mit den Düsseldorfer Ermittlungen. Diese hätten im Endergebnis dafür gesorgt, dass „keine verwertbaren Spuren mehr vorhanden waren“, die den weiteren Ermittlungen hätten dienlich sein können, konstatierte die Vorsitzende Richterin bei der Vernehmung einer Kripobeamtin, die an den Ermittlungen beteiligt war: „Ihr Fehlverhalten ist tragisch.“
Mehrfach antwortete die Zeugin, die seit 16 Jahren in Todesfällen ermittelt, nur mit beredtem Schweigen auf die Vorhalte der Vorsitzenden. Zuvor hatte sie berichtet, wie sie Jole G. und deren Tochter Silvia F. in F.s Küche vorgefunden habe. Die 86-jährige Jole G. war erdrosselt worden, die Kopfverletzung ihrer Tochter schrieben die Ermittler einem „Sturz in Agonie“zu, ein blaues Auge und Griffhämatome an den Armen erklärten sie mit der Gegenwehr der 86-Jährigen. Sie hätten durch Zeugen von Silvia F.s Depression und einem früheren Suizidversuch gewusst, hatten neben den toten Frauen leere Tablettenschachteln gefunden, sagte die Zeugin. Sie sei davon ausgegangen, dass die Tochter die Mutter und sich selbst getötet hatte: „Es war ein stimmiges Bild.“Deshalb sei auf die Spurensicherung verzichtet und auch kein Rechtsmediziner am Tatort hinzugezogen worden. „Das machen wir bei eindeutigem Suizid nie“, hieß es. Für die Richterin Regine EndersKunze ist es angesichts der Beweislage dagegen „unvorstellbar, wie Sie von einem eindeutigen Suizid ausgehen konnten“.
Die Zeugin musste nämlich auch einräumen, dass bei der Obduktion ihre These zwar nicht widerlegt, aber doch auch eine Gewalteinwir- kung auf Silvia F. festgestellt worden war. Zu ihrer Todesart hatte der Rechtsmediziner „unklar“notiert. „Und trotzdem haben Sie gehandelt, als sei die Theorie vom erweiterten Suizid eindeutig klar“, warf die Richterin der Zeugin vor. Bereits 15 Minuten nach der Obduktion sei der Tatort freigegeben worden, den Hinweisen der Familie auf verschiedene Unstimmigkeiten in der Ermittler-Theorie war die Zeugin nicht nachgegangen. „Schlampigkeit oder Überheblichkeit?“, fragte die Richterin. „Ich bin ganz sicher nicht überheblich gegenüber Angehörigen“, beteuerte die merklich angeschlagene Ermittlerin. Die Vorsitzende Richterin verzichtete nach einer zweistündigen Vernehmung auf weitere Fragen mit der Begründung: „Ich bin ja kein Untersuchungsausschuss.“
Unterdessen hat die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft den Rechtsmediziner, der im Gießener Prozess behauptet hatte, es gebe ein Dutzend ähnlicher Fälle, um Stellungnahme gebeten. Der Gutachter nannte dann tatsächlich drei Ermittlungsverfahren, die von der Staatsanwaltschaft am Wochenende noch einmal überprüft wurden – ohne Anlass zu Kritik an der kriminalpolizeilichen Arbeit, betonte Staatsanwalt Christoph Kumpa.