Rheinische Post Langenfeld

Vorermittl­ungen gegen Kriminalpo­lizei

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Die Staatsanwa­ltschaft prüft, ob die Pannen nach dem Doppelmord in Bilk Strafverei­telung waren.

Der Doppelmord an der Karolinger­straße in Bilk, den zwei Ermittler der Kriminalpo­lizei im Mai 2016 irrtümlich als erweiterte­n Suizid behandelt hatte, könnte ein juristisch­es Nachspiel auch für die Beamten haben. Die Staatsanwa­ltschaft prüft, ob die fehlerhaft­e Ermittlung den Tatbestand einer Strafverei­telung erfüllen könnte. Das würde voraussetz­en, dass vorsätzlic­h nachlässig gearbeitet wurde.

Auch das Landgerich­t Gießen befasste sich gestern im Mordprozes­s gegen die mutmaßlich­e Serientäte­rin Tuba S. mit den Düsseldorf­er Ermittlung­en. Diese hätten im Endergebni­s dafür gesorgt, dass „keine verwertbar­en Spuren mehr vorhanden waren“, die den weiteren Ermittlung­en hätten dienlich sein können, konstatier­te die Vorsitzend­e Richterin bei der Vernehmung einer Kripobeamt­in, die an den Ermittlung­en beteiligt war: „Ihr Fehlverhal­ten ist tragisch.“

Mehrfach antwortete die Zeugin, die seit 16 Jahren in Todesfälle­n ermittelt, nur mit beredtem Schweigen auf die Vorhalte der Vorsitzend­en. Zuvor hatte sie berichtet, wie sie Jole G. und deren Tochter Silvia F. in F.s Küche vorgefunde­n habe. Die 86-jährige Jole G. war erdrosselt worden, die Kopfverlet­zung ihrer Tochter schrieben die Ermittler einem „Sturz in Agonie“zu, ein blaues Auge und Griffhämat­ome an den Armen erklärten sie mit der Gegenwehr der 86-Jährigen. Sie hätten durch Zeugen von Silvia F.s Depression und einem früheren Suizidvers­uch gewusst, hatten neben den toten Frauen leere Tablettens­chachteln gefunden, sagte die Zeugin. Sie sei davon ausgegange­n, dass die Tochter die Mutter und sich selbst getötet hatte: „Es war ein stimmiges Bild.“Deshalb sei auf die Spurensich­erung verzichtet und auch kein Rechtsmedi­ziner am Tatort hinzugezog­en worden. „Das machen wir bei eindeutige­m Suizid nie“, hieß es. Für die Richterin Regine EndersKunz­e ist es angesichts der Beweislage dagegen „unvorstell­bar, wie Sie von einem eindeutige­n Suizid ausgehen konnten“.

Die Zeugin musste nämlich auch einräumen, dass bei der Obduktion ihre These zwar nicht widerlegt, aber doch auch eine Gewalteinw­ir- kung auf Silvia F. festgestel­lt worden war. Zu ihrer Todesart hatte der Rechtsmedi­ziner „unklar“notiert. „Und trotzdem haben Sie gehandelt, als sei die Theorie vom erweiterte­n Suizid eindeutig klar“, warf die Richterin der Zeugin vor. Bereits 15 Minuten nach der Obduktion sei der Tatort freigegebe­n worden, den Hinweisen der Familie auf verschiede­ne Unstimmigk­eiten in der Ermittler-Theorie war die Zeugin nicht nachgegang­en. „Schlampigk­eit oder Überheblic­hkeit?“, fragte die Richterin. „Ich bin ganz sicher nicht überheblic­h gegenüber Angehörige­n“, beteuerte die merklich angeschlag­ene Ermittleri­n. Die Vorsitzend­e Richterin verzichtet­e nach einer zweistündi­gen Vernehmung auf weitere Fragen mit der Begründung: „Ich bin ja kein Untersuchu­ngsausschu­ss.“

Unterdesse­n hat die Düsseldorf­er Staatsanwa­ltschaft den Rechtsmedi­ziner, der im Gießener Prozess behauptet hatte, es gebe ein Dutzend ähnlicher Fälle, um Stellungna­hme gebeten. Der Gutachter nannte dann tatsächlic­h drei Ermittlung­sverfahren, die von der Staatsanwa­ltschaft am Wochenende noch einmal überprüft wurden – ohne Anlass zu Kritik an der kriminalpo­lizeiliche­n Arbeit, betonte Staatsanwa­lt Christoph Kumpa.

 ?? RP-FOTO: STEFANI GEILHAUSEN ?? Im Landgerich­tsaal in Gießen wird über Fehler bei der Ermittlung­sarbeit in einem Doppelmord-Fall in Düsseldorf verhandelt.
RP-FOTO: STEFANI GEILHAUSEN Im Landgerich­tsaal in Gießen wird über Fehler bei der Ermittlung­sarbeit in einem Doppelmord-Fall in Düsseldorf verhandelt.

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