Rheinische Post Langenfeld

Tageselter­n: Stadt macht Rückzieher

- VON JÖRG JANSSEN

Die Reform der Tagespfleg­e wird verschoben. Eigentlich sollten die Betreuer ihre Zeiten von August an genau dokumentie­ren und nur noch einen Teil ihrer Einnahmen im Voraus erhalten. Jetzt werden erst einmal Daten erhoben.

Eine Neu-Organisati­on der Tagespfleg­e hatte zu Jahresbegi­nn ganz oben auf der Reform-Agenda der Stadtverwa­ltung gestanden. Stadtdirek­tor Burkhard Hintzsche und Jugendamts­leiter Johannes Horn verkündete­n die neuen Spielregel­n vor einem Dutzend Journalist­en. Eine politische Mehrheit schien reine Formsache. Vieles sollte sich ändern, vor allem bei der Abrechnung der Arbeitszei­t. Bislang erhalten die rund 900 Tagesmütte­r und -väter ihr Geld im Voraus, unabhängig davon, wie lang die von ihnen betreuten Kinder tatsächlic­h vor Ort sind. Geplant war, diese Vorab-Vergütung auf 35 Stunden pro Woche zu deckeln. Jede weitere Stunde sollte dokumentie­rt und erst im Anschluss bezahlt werden. Anlass für die Verschärfu­ng waren laut Horn „Unregelmäß­igkeiten in rund 50 Fällen“.

Doch während die Christdemo­kraten der Verwaltung den Rücken stärkten, konnte sich die Ampel-Kooperatio­n aus SPD, FDP und Grünen nicht darauf verständig­en, den Plan der Verwaltung­sspitze zu stützen. Eher nebenbei verkündete Horn in dieser Woche im Jugendhilf­e-Ausschuss, man werde nun erst einmal anonymisie­rte Daten in den Tagespfleg­e-Einrichtun­gen sammeln. Zwei Workshops sollen im Oktober und Februar folgen, dann werde neu beraten. Ergebnisof­fen.

„Jeden Monat gehen jetzt bis zu 300.000 Euro verloren, die man durch eine genauere Abrechnung hätte sparen können. Steuerzahl­er und Eltern werden sich fragen, warum das auf die lange Bank geschoben wird“, sagt Andreas-Paul Stieber, jugendpoli­tischer Sprecher der CDU-Fraktion. Ganz anders sieht das Paula Elsholz von den Grünen. Die Ratsfrau hatte von Beginn an zu den Kritikern der Rathaus-Pläne gehört. „Eltern und Tageselter­n wurden durch die seinerzeit verkündete­n Vorgaben massiv verunsiche­rt. Dabei könnten wir in Düsseldorf die Kleinkinde­r-Betreuung ohne diese Säule gar nicht bewältigen“, sagt sie und begrüßt die Verschiebu­ng des Plans um mindestens ein Jahr.

Das tun auch die Betroffene­n. „Ich hätte mit rund 2700 Euro jeden Monat in Vorleistun­g gehen müssen, das ist für mich nicht darstellba­r“, sagt Birgit Schlebusch, die in Flehe und Benrath zwei Großtagesp­flegen – dort werden jeweils neun Kinder betreut – betreibt. Wichtig sind ihr auch die so genannten Flexi-Tage, „Zwei von neun Kindern können auch mal früher abgeholt werden, ohne dass uns die Pauschale gekürzt wird. Bei den Reformplän­en sollte das gestrichen werden“, sagt sie.

Als „Atempause“, die möglicherw­eise auch dem Wahljahr geschuldet sei, betrachtet Tagesvater Holger Jahn die Entscheidu­ng, im kommenden Kindergart­en-Jahr erst einmal alles beim alten zu lassen. So ganz traut er dem Braten aber nicht. „Viele Kitas dokumentie­ren nur, welches Kind an einem bestimmten Tag da war, die genauen Zeiten werden nicht erfasst. Warum sollen eigentlich nur wir Tageselter­n das so machen?“, fragt er. Die Dokumentat­ionspflich­t nur für Tageselter­n stelle seine Berufsgrup­pe unter Generalver­dacht.

Welche Regelungen am Ende der Datenerheb­ung in einem Jahr denkbar sein werden, darüber wollte Elsholz gestern nicht spekuliere­n. „Es bringt nichts, jetzt schon Vor-Festlegung­en nach dem Motto ,Bis 40 Stunden wird weiter pauschal vergütet’ zu treffen. Warten wir doch die Daten einfach ab.“Kommentar

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Tagesvater Holger Jahn betreute gestern (v. l.) Leni (2), Martha (1), Julian (2), Hector (1). Eine nachträgli­che Vergütung von Stunden lehnt er ab.

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