Rheinische Post Langenfeld

Gewissheit: Hanaa S. wurde ermordet

- VON MARTIN OBERPRILLE­R UND STEFANI GEILHAUSEN

Im Prozess um die seit 2015 vermisste Frau hat der Schwager gestern die Tat gestanden.

Die Erklärung, die der Verteidige­r des 26 Jahre alten Schwagers von Hanaa S. verlas, war gerade einmal zehn Zeilen lang, dauerte weniger als eine Minute. Doch die knappen Worte bedeuten die Wende im Prozess, den die 3. Strafkamme­r des Wuppertale­r Landgerich­ts seit mehr als 70 Tagen gegen den 26-Jährigen und seinen Bruder führt. Denn bislang ging es in dem Mordprozes­s nur um Indizien und um eine vermisste Frau. Nach über einjährige­m Schweigen gab der Schwager nun zu, dass die dreifache Mutter schon kurz nach ihrer Entführung von der eigenen Familie umgebracht wurde. Er sei sich „durchaus der Verantwort­ung für die Tötung seiner Schwägerin bewusst“, ließ der 26-Jährige erklären. Die Leiche sei in einem Wald bei Heilbronn abgelegt worden, und er sei bereit, die Ermittler an die Stelle zu führen.

Hanaa S., Jesidin mit irakischen Wurzeln, war in Gerresheim aufgewachs­en und im Alter von 15 Jahren zwangsverh­eiratet worden. 2013 war sie vor ihrem gewalttäti­gen Ehemann geflohen, der einen Kiosk in Unterbilk betrieb. Sie versteckte sich in Frauenhäus­ern und bei Freunden, zuletzt hatte sie in Solingen gelebt. Doch dort hatten Verwandte die Frau schließlic­h aufgespürt. Nicht nur ihr Mann und seine Brüder sollen in der Trennung eine Verletzung ihrer Ehre gesehen haben. Auch ihre eigene Familie wandte sich gegen sie. Ihr 18-jähriger Sohn und ihre Schwester sind als Mittäter von Ehemann und Schwager angeklagt.

Die Familie war nach Hanaa S.’ Verschwind­en 2015 schnell ins Visier der Polizei geraten. Bei der Durchsuchu­ng des Kiosks hatten Leichenspü­rhunde im Hof und im Auto angeschlag­en. Die Anklage geht davon aus, dass Ehemann und Schwager die Leiche von Hanaa S. darin weggebrach­t haben.

Der Prozess wurde gestern zunächst bis Montag unterbroch­en. Es gilt als wahrschein­lich, dass sich die Ermittler schon in der nächsten oder übernächst­en Woche von dem 26-Jährigen die beschriebe­ne Stelle im Wald zeigen lassen. Die Vorbereitu­ngen für die Leichensuc­he sind bereits angelaufen. Die Ankläger hoffen nach der Wende im Prozess auf eine Kettenreak­tion. Schon jetzt hat ein anderer Angeklagte­r angekündig­t, ebenfalls aussagen zu wollen.

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FOTO: ARCHIV Hanaa S. soll in Baden-Württember­g vergraben worden sein.

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