Gewissheit: Hanaa S. wurde ermordet
Im Prozess um die seit 2015 vermisste Frau hat der Schwager gestern die Tat gestanden.
Die Erklärung, die der Verteidiger des 26 Jahre alten Schwagers von Hanaa S. verlas, war gerade einmal zehn Zeilen lang, dauerte weniger als eine Minute. Doch die knappen Worte bedeuten die Wende im Prozess, den die 3. Strafkammer des Wuppertaler Landgerichts seit mehr als 70 Tagen gegen den 26-Jährigen und seinen Bruder führt. Denn bislang ging es in dem Mordprozess nur um Indizien und um eine vermisste Frau. Nach über einjährigem Schweigen gab der Schwager nun zu, dass die dreifache Mutter schon kurz nach ihrer Entführung von der eigenen Familie umgebracht wurde. Er sei sich „durchaus der Verantwortung für die Tötung seiner Schwägerin bewusst“, ließ der 26-Jährige erklären. Die Leiche sei in einem Wald bei Heilbronn abgelegt worden, und er sei bereit, die Ermittler an die Stelle zu führen.
Hanaa S., Jesidin mit irakischen Wurzeln, war in Gerresheim aufgewachsen und im Alter von 15 Jahren zwangsverheiratet worden. 2013 war sie vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflohen, der einen Kiosk in Unterbilk betrieb. Sie versteckte sich in Frauenhäusern und bei Freunden, zuletzt hatte sie in Solingen gelebt. Doch dort hatten Verwandte die Frau schließlich aufgespürt. Nicht nur ihr Mann und seine Brüder sollen in der Trennung eine Verletzung ihrer Ehre gesehen haben. Auch ihre eigene Familie wandte sich gegen sie. Ihr 18-jähriger Sohn und ihre Schwester sind als Mittäter von Ehemann und Schwager angeklagt.
Die Familie war nach Hanaa S.’ Verschwinden 2015 schnell ins Visier der Polizei geraten. Bei der Durchsuchung des Kiosks hatten Leichenspürhunde im Hof und im Auto angeschlagen. Die Anklage geht davon aus, dass Ehemann und Schwager die Leiche von Hanaa S. darin weggebracht haben.
Der Prozess wurde gestern zunächst bis Montag unterbrochen. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich die Ermittler schon in der nächsten oder übernächsten Woche von dem 26-Jährigen die beschriebene Stelle im Wald zeigen lassen. Die Vorbereitungen für die Leichensuche sind bereits angelaufen. Die Ankläger hoffen nach der Wende im Prozess auf eine Kettenreaktion. Schon jetzt hat ein anderer Angeklagter angekündigt, ebenfalls aussagen zu wollen.