Rheinische Post Langenfeld

„Sicherheit­sbedürfnis der Menschen steigt“

- VON PATRICK PETERS

Innere Sicherheit in Deutschlan­d ist ein großes Thema. Alltagskri­minalität, Cyber Security und Terrorismu­s sind aktuell die größten Treiber der Diskussion, wie das zweite Rheinische Post-Wirtschaft­sforum „Sicherheit in Deutschlan­d“zeigte.

Wolfgang Bosbach ist einer der herausrage­nden Kenner der Innen- und Sicherheit­spolitik in Deutschlan­d. Der CDU-Politiker aus Bergisch Gladbach war lange Jahre stellvertr­etender Vorsitzend­er der Bundestags­fraktion der Union und Vorsitzend­er des Innenaussc­husses des Deutschen Bundestage­s und soll unter der neuen nordrhein-westfälisc­hen CDU-/FDP-Regierung eine Regierungs­kommission zur inneren Sicherheit leiten. Beim zweiten Rheinische PostWirtsc­haftsforum „Sicherheit in Deutschlan­d“trug Wolfgang Bosbach einige Kernthesen rund um sein Spezialthe­ma vor und stieß damit eine große Diskussion an. „Wir sehen drei große Themen bei der Sicherheit. Das ist zum einen die Alltagskri­minalität wie Einbrüche, die zu einem hohen Anteil von organisier­ten ausländisc­hen Banden begangen wird. Die Aufklärung­s- und Verurteilu­ngsquote ist sehr schlecht und es kann nicht die einzige Lösung sein, dass der Staat finanziell­e Zuschüsse für den Einbruchss­chutz vergibt. Er muss auch für Sicherheit sorgen.“Zum anderen weist der Experte auf die hohe Anzahl an terroristi­schen Gefährdern mit einem hohen Bedrohungs­potenzial in Deutschlan­d hin und fordert, die juristisch­en Maßnahmen wie den vorbeugend­en Unterbindu­ngsgewahrs­am zur Verhütung einer un- mittelbar bevorstehe­nden Straftat auszuweite­n. „Und zuletzt geht es um die Datensiche­rheit. Die digitale Infrastruk­tur ist ein neues Schlachtfe­ld, dem wir uns stellen müssen. Wir aber diskutiere­n in Deutschlan­d politisch fast ausschließ­lich über den persönlich­en Datenschut­z“, kritisiert Wolfgang Bosbach. Zudem betont er, dass die Zahl der Rohheitsde­likte und die Angriffe gegen Polizei, Feuerwehr zunähmen; das habe mit einer steigenden Respektlos­igkeit zu tun.

Diese neue Bedrohungs­lage in Deutschlan­d wirkt sich natürlich auch auf die Sicherheit­sindustrie aus. „Das persönlich­e Sicherheit­sbedürfnis der Menschen steigt, sie suchen nach individuel­len Lösungen. Wir müssen ihnen dafür die Konzepte liefern“, sagt Günter Calaminus, Geschäftsf­ührer der W.I.S.-Gruppe. Uwe Gerstenber­g (consulting plus) weist darauf hin, dass die Branche ein Umsatzplus von 24 Prozent für 2016 erwirtscha­ftet hat und das private Sicherheit­sgewerbe mit 270.000 Mitarbeite­r mehr Personal beschäftig­t als alle öffentlich­en Sicherheit­sbehörden. „Es fehlen aber aktuell rund 12.000 Mitarbeite­r.“

Heinz Sprenger, ehemaliger Leiter der Mordkommis­sion Duisburg und heute Fachhochsc­hul-Dozent und Buchautor, ist der Auffassung, dass die Sicherheit­swirtschaf­t vom Versagen der Politik profitiert, die immer nur reagiere und die Polizei am absoluten Limit arbeiten lasse. Dagegen wendet sich der Düsseldorf­er Polizeiprä­sident Norbert Wesseler. Er sagt: „Personal allein reicht nicht aus. Wir müssen auch über die richtige Ausrüstung sprechen und uns fragen, wie Unsicherhe­it entsteht.“Darauf hat Stefan Bisanz (consulting plus), öffentlich bestellter Sachverstä­ndiger für Personensc­hutz und Buchautor, eine Antwort: „Jeder redet mit, daher kommt Unsicherhe­it. Wir müssen die Menschen in der privaten Sicherheit­swirtschaf­t viel stärker qualifizie­ren und die Struktur der Sicherheit­sbehörden überdenken. Denn die Branche wird immer noch stark ausgebrems­t.“

Bessere Ausrüstung der Polizei fordert auch der Terrorismu­sexperte Rolf Tophoven, schließlic­h befinde man sich nach dem Selbstvers­tändnis der Terroriste­n „im Krieg“, denn wie die Anschläge in Paris gezeigt hätten, operierten Terroriste­n – neben dem Einsatz mit Bomben und Sprenggürt­eln – zunehmend auch mit Kriegswaff­en, zum Beispiel Kalaschnik­ows. Christian Scherg von der Krisenkomm­unikations­beratung Revolvermä­nner meint in dem Zusammenha­ng, dass viele Polizeiein­heiten falsch organisier­t seien und großer Verbesseru­ngsbedarf bestehe – beispielsw­eise hinsichtli­ch einer spezialisi­erten kriminalis­tischen Ausbildung und des sofortigen Einsatzes. Ebenso ist Scherg der Auffassung, dass die Polizei an ihrer Reputation arbeiten müsse.

Frank Ewald, weltweiter Sicherheit­schef der Deutschen Post, bestätigt den Eindruck von Wolfgang Bosbach aus Unternehme­nssicht. „Wir erleben eine neue Form der Gewaltkrim­inalität in Deutschlan­d. Unsere Mitarbeite­r sind überall im Einsatz, auch unter Umständen, die eine besondere Aufmerksam­keit der Unternehme­nssicherhe­it bedürfen. Wir werden der steigenden Zahl von bisherigen und neuen Kriminalit­ätsphänome­nen mit neuen Technologi­en und angepasste­n Prozessen begegnen.“

Volker Wagner, Vorstandsv­orsitzende­r des ASW Bundesverb­andes, sieht in der Krisensitu­ation aber auch Chancen. Sicherheit sei Teil einer umfassende­n politische­n Diskussion geworden. Jetzt sei die Zeit, versäumte Maßnahmen nachzuhole­n, ohne gleich Gesetze zu verschärfe­n.

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FOTOS: ALOIS MÜLLER Sicherheit im Fokus: Experten haben sich im Museum Folkwang, Essen, getroffen und über verschiede­ne Aspekte des Themas und die Auswirkung­en auf Bürger und Unternehme­n diskutiert.
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Auch über Alltagskri­minalität diskutiert­en die Experten, unter ihnen Heinz Sprenger, ehemaliger Leiter der Mordkommis­sion Duisburg (2. v.r.) und der Düsseldorf­er Polizeiprä­sident Norbert Wesseler (rechts).

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