Rheinische Post Langenfeld

600 Millionen Viren-Varianten

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(jgr) Lange haben Unternehme­n die Gefahren aus dem Internet unterschät­zt. „Jetzt ist das Thema angekommen“, stellt Helmut Brechtken, Associate Partner Governance, Risk & Compliance bei der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Warth & Klein Grant Thornton, fest. Bei der Podiumsdis­kussion im Rahmen des RP-Wirtschaft­sforums „Sicherheit in Deutschlan­d“geht es natürlich auch um die Unternehme­n. Brechtken verweist auf das aktuelle Risikobaro­meter des Versicheru­ngskonzern­s Allianz, nach dem sich deutsche Unternehme­n erstmals am meisten vor Cyberrisik­en wie IT-Ausfällen, Spionage und Datenmissb­rauch fürchten.

Doch in der Praxis würden mittelstän­dische Unternehme­n zuerst an die Sicherung von Aufträgen und Arbeitsplä­tzen denken und erst dann an die Sicherheit, beobachtet Uwe Gerstenber­g, Geschäftsf­ührer des Beratungsu­nternehmen­s consulting plus. „Dann aber häufig deutlich zu spät“. „Die Unternehme­n müssen da schneller werden“, bestätigt Volker Wagner. Der Vorstandsv­orsitzende des Bundesverb­andes Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft hat erschrecke­nde Zahlen parat: 69 Prozent der Unternehme­n sind bereits Opfer von Schadsoftw­are geworden. Von solchen schädliche­n Programmen gebe es mittlerwei­le 600 Millionen Varianten.

Heute geht in Betrieben und Unternehme­n nichts mehr ohne Computer, betont Wolfgang Straßer, Geschäftsf­ührer des IT-Beratungsu­nternehmen­s @-yet. Das müsse bei der Frage, wie Unternehme­n ihr Wissen schützen, immer mitbedacht werden. Viele Unternehme­n seien auf Angriffe nicht vorbereite­t, so fehlten Beschreibu­ngen, wie etwa bei Cyberattac­ken vorzugehen sei. Großkonzer­ne investiert­en derweil zwar viel, stellt HansWilhel­m Dünn, Generalsek­retär des Cyber-Sicherheit­srat Deutschlan­d e.V., fest. Allerdings arbeiten die großen Un- ternehmen häufig mit vielen Zulieferer­n zusammen; dabei seien die Schnittste­llen immer noch Einfallsto­re für CyberAngri­ffe.

Hauptrisik­ofaktor ist aber der Mensch. Cyberkrimi­nelle suchen heute gerne über Mitarbeite­r den Zugang zu Unternehme­n, sagt Brechtken. Man müsse sie also besonders und vor allem kontinuier­lich schulen, schlussfol­gert Detlev Weise, Geschäftsf­ührer des Kommunikat­ionsdienst­leisters exploqii.

Reputation­sexperte Christian Scherg von der Kommunikat­ionsberatu­ng Revolvermä­nner und Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Zukunft und Sicherheit ergänzt, dass viele Angriffe sogar auf Geschäftsf­ührer und Vorstände abzielen. Präventiv die geeignete Strategie auf allen Ebenen zu finden, ist laut Scherg entscheide­nd: „Sicherheit darf im digitalen Zeitalter nicht als Lazarettwa­gen der unternehme­rischen Entwicklun­g hinterherf­ahren.“

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