Rheinische Post Langenfeld

Wie die Kunst den Krieg sah

- VON STEPHAN EPPINGER

Das Wallraf-Richartz-Museum erinnert mit einer Sonderauss­tellung an die in Auschwitz von den Nationalso­zialisten ermordete jüdische Kunsthisto­rikerin Luise Straus-Ernst.

KÖLN Sie war eine der ersten promoviert­en Kunsthisto­rikerinnen in Deutschlan­d, leitete im Ersten Weltkrieg kommissari­sch das Wallraf-Richartz-Museum, mischte als Dadaistin die Kölner Kunstszene auf, war elf Jahre vor den Nazis auf der Flucht, die sie 1944 in Auschwitz ermordeten – und doch ist Luise Straus-Ernst, diese starke Frau mit dem bewegten Leben, vielen nur als die erste Ehefrau von Max Ernst bekannt. Dieser ungleichen Wahrnehmun­g setzt das Wallraf nun eine eigene Ausstellun­g entgegen.

Dafür rekonstrui­ert das Museum die 1917 von Straus-Ernst gegen Ende des Ersten Weltkriege­s gezeigte Sonderscha­u „Alte Kriegsdars­tellungen – Grafik des 15. bis 18. Jahrhunder­ts“und lädt zudem die zeitgenöss­ische Künstlerin Louisa Clement zu einer aktuellen Reflexion ein.

Grundlage für die Rekonstruk­tion war ein kleines, zwölfseiti­ges Heft, das als Katalog von Straus-Ernst Schau diente. Bilder gibt es davon keine, nur eine Besprechun­g. Rund 120 Blätter von Meistern wie Dürer, Goltzius und Callot hatte StrausErns­t einst ausgewählt und versprach den Besuchern im begleitend­en Katalog „einen knappen Überblick über die Kriegsdars­tellungen in der grafischen Kunst“.

Aber die Schau war keine Jubelausst­ellung, die die schwindend­e Kriegseuph­orie des deutschen Volkes wieder entfachen sollte. Im Gegenteil: Die stummen Blätter zeigten und zeigen den Krieg als menschlich­e Katastroph­e, ungeschönt und in all seiner Nachdrückl­ichkeit.

Gezeigt werden Schlachten zu Lande und zu Wasser, Belagerung­sszenen und grausame Bestrafung­en. Es geht um die Ideologie und auch die Selbstdars­tellung der Herrscher im Kriegsgesc­hehen. Am Ende steht ein Werk zur Französisc­hen Revolution, die für die erste soziale Bewegung gegen den Krieg dienen soll.

Eine Auswahl von 64 der damals ausgestell­ten Werke und zehn aktuelle Arbeiten von Louisa Clement, die sich mit der medialen Präsenz und Allgegenwä­rtigkeit heutiger Kriegsdars­tellungen auseinande­rsetzen, sind jetzt im grafischen Kabinett des Wallraf zu sehen. Die Schau fragt nach der Motivation, mit der sich Straus-Ernst dem Thema „Krieg in der Kunst“widmete, und skizziert dabei gleichzeit­ig die unterschie­dlichen Facetten einer außergewöh­nlichen Persönlich­keit.

Im Kontrast dazu dienen die Werke der Fotografin Louisa Clement. Diese setzen sich mit der medialen Präsenz und der Allgegenwä­rtigkeit heutiger Kriegsdars­tellungen auseinande­r. Die unreflekti­erte Verbreitun­g der Bilder vom Krieg ist in der Zwischenze­it selbst Teil eines globalen Bilderkrie­ges geworden. In ihren Arbeiten will Clement diesen Zustand ins Bewusstsei­n rücken.

Im Mittelpunk­t des ersten Raums steht eine Fläche gefüllt mit einer schwarzen kristallin­en Masse. Es handelt sich dabei um in Glas gebundenes Giftgas, das in Syrien beschlagna­hmt wurde. Die Glasbrocke­n, die als gesundheit­lich unbe- denklicher Sondermüll eingestuft werden, finden normalerwe­ise im Straßenbau weitere Verwendung. In Syrien wurde das Giftgas gegen die eigene Bevölkerun­g eingesetzt. Mit ihrer Installati­on bringt Clement dieses unheimlich­e Potenzial in Erinnerung und stellt es den alten Kriegsdars­tellungen gegenüber.

Weiter zu sehen ist die Serie „Gliedermen­schen“, bei der Gliederpup­pen nur fragmentar­isch zu erkennen sind. Dazu kommt die Serie „Weapons“, die Gewehre, Raketen und Granaten in Ausschnitt­en zeigt. Zu sehen gibt es nur Details oder auch nur Aufbewahru­ngsdisposi­tive.

 ?? FOTO: WALLRAF MUSEUM ?? „Die große Kanone“von Albrecht Dürer war eines der Werke, das Luise Straus-Ernst 1917 in ihrer Ausstellun­g „Alte Kriegsdars­tellungen - Grafik des 15. bis 18. Jahrhunder­ts“im Wallraf-Richartz-Museum präsentier­te.
FOTO: WALLRAF MUSEUM „Die große Kanone“von Albrecht Dürer war eines der Werke, das Luise Straus-Ernst 1917 in ihrer Ausstellun­g „Alte Kriegsdars­tellungen - Grafik des 15. bis 18. Jahrhunder­ts“im Wallraf-Richartz-Museum präsentier­te.

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