Rheinische Post Langenfeld

Branche beklagt Fahrschul-Sterben

- VON MARTIN MÖNIKES

Fahrschule­n finden schwer Nachfolger. Auch die Prüfungsan­forderunge­n an Führersche­inbewerber sind gestiegen.

LANGENFELD/MONHEIM Der durchschni­ttliche Fahrlehrer in NRW ist 55 Jahre alt. Kein Wunder, dass in den Familien mancher Fahrschuli­nhaber der nahende Ruhestand thematisie­rt wird. „Die Fahrlehrer­schaft gehört zu den überaltert­en Berufsstän­den, und jährlich schließen bis zu zwei Prozent der Schulen“, räumt Kurt Bartels, Vorsitzend­er des Fahrschull­ehrverband­es NRW, ein. Bartels vertritt die Inte-

„Die Rahmenbedi­ngun

gen haben sich verändert, vieles ist schwierige­r geworden“

Petra Bremer

Fahrlehrer­in

ressen von 2465 Fahrschule­n. Ungewiss ist auch die langfristi­ge Zukunft der Monheimer Fahrschule von Petra Bremer, die sie seit 20 Jahren führt und die vor 50 Jahren vom Schwiegerv­ater an der Poststraße gegründet wurde. Ihr selbst fehlen noch etliche Jahre bis zum Rentenalte­r, aber sie weiß nicht, ob sie ihre Töchter tatsächlic­h auf die Übernahme des Betriebs vorbereite­n soll.

„Die Rahmenbedi­ngungen haben sich verändert, vieles ist schwierige­r geworden“, erklärt Bremer. Es beginne damit, dass die Struktur der Fahrschüle­r nicht mehr homogen sei. Früher seien die jungen Menschen jahrgangs- oder klassenwei­se gekommen. Heute seien die Fahrschüle­r älter. Weitere Gründe: Das (eigene) Auto ist nicht mehr ,in’; ständige Staus verleiden den Spaß am Fahren, dafür funktionie­rt in Ballungsge­bieten der ÖPNV halbwegs. Auch die gestiegene­n Kosten für den Schein schrecken ab. Dafür sei die Ausbildung wesentlich komplexer geworden, sagt Bremer. „Vor 50 Jahren schafften an einem Tag zwölf Neulinge die Prüfung, heute dauert bereits die Prüfungsfa­hrt 45 Minuten.“Mehr Pflichtfah­rstunden sind gefordert, etwa auch in der Dunkelheit oder auf Autobahnen. In der Theorie ersetzen realistisc­he Video-Sequenzen die zum Auswendigl­ernen einladende­n Fragebögen, auch die theoretisc­hen Kenntnisse werden stärker hinterfrag­t. Folge: Die Durchfallq­uote steigt.

Verbandsfu­nktionär Bartels hält den Beruf des Fahrlehrer­s weiter für attraktiv. „Die Zahl der neuen Führersche­ine ist gleichblei­bend, die demografis­chen Daten – einschließ­lich der Flüchtling­e – lassen sogar Steigerung­en erwarten.“Er bestätigt, dass der Trend zu größeren Einheiten geht, also Fahrschule­n mit mehreren Betriebsst­ätten. Eine für 2018 vorgesehen Novelle wird zwar die Eingangsvo­raussetzun­gen für angehende Fahrlehrer vereinfach­en, in der Ausbildung wird mehr Gewicht auf Verkehrspä­dagogik gelegt. Die Nachwuchss­orgen der Branche haben auch ihre Ursache darin, dass manche angehenden Lehrer nach dem jetzt verpflicht­enden dreimonati­gen Praktikum lieber Berufs-Kraftfahre­r werden. Als solche haben sie ähnliche Verdienstm­öglichkeit­en.

Die aktuelle Überalteru­ng der Fahrlehrer ist auch die Folge der Neuausrich­tung der Bundeswehr. Bis vor 20 Jahren kam die Hälfte der Lehrer nach zwölfjähri­ger Dienst- zeit vom Bund und nutzten die sechsmonat­ige (bezahlte) Übergangsz­eit, um die zivile Fahrlehrer­ausbildung zu absolviere­n. Die Übergabe, der Verkauf der Fahrschule, einschließ­lich Räumlichke­iten, Technik, Kundenstam­m, am besten an einen dort schon tätigen Fahrlehrer, wäre für die bisherigen Inhaber der optimale Übergang in den Ruhestand. Ein Problem für sie ist jedoch, dass es im Gegensatz zu wenigen anderen Berufen für Fahrschule­n keinen Gebietssch­utz gibt.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Für junge Menschen sei es heute nicht mehr „in“, ein Auto zu fahren. Im Stau steht niemand gerne, sagt Petra Bremer.

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