Branche beklagt Fahrschul-Sterben
Fahrschulen finden schwer Nachfolger. Auch die Prüfungsanforderungen an Führerscheinbewerber sind gestiegen.
LANGENFELD/MONHEIM Der durchschnittliche Fahrlehrer in NRW ist 55 Jahre alt. Kein Wunder, dass in den Familien mancher Fahrschulinhaber der nahende Ruhestand thematisiert wird. „Die Fahrlehrerschaft gehört zu den überalterten Berufsständen, und jährlich schließen bis zu zwei Prozent der Schulen“, räumt Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrschullehrverbandes NRW, ein. Bartels vertritt die Inte-
„Die Rahmenbedingun
gen haben sich verändert, vieles ist schwieriger geworden“
Petra Bremer
Fahrlehrerin
ressen von 2465 Fahrschulen. Ungewiss ist auch die langfristige Zukunft der Monheimer Fahrschule von Petra Bremer, die sie seit 20 Jahren führt und die vor 50 Jahren vom Schwiegervater an der Poststraße gegründet wurde. Ihr selbst fehlen noch etliche Jahre bis zum Rentenalter, aber sie weiß nicht, ob sie ihre Töchter tatsächlich auf die Übernahme des Betriebs vorbereiten soll.
„Die Rahmenbedingungen haben sich verändert, vieles ist schwieriger geworden“, erklärt Bremer. Es beginne damit, dass die Struktur der Fahrschüler nicht mehr homogen sei. Früher seien die jungen Menschen jahrgangs- oder klassenweise gekommen. Heute seien die Fahrschüler älter. Weitere Gründe: Das (eigene) Auto ist nicht mehr ,in’; ständige Staus verleiden den Spaß am Fahren, dafür funktioniert in Ballungsgebieten der ÖPNV halbwegs. Auch die gestiegenen Kosten für den Schein schrecken ab. Dafür sei die Ausbildung wesentlich komplexer geworden, sagt Bremer. „Vor 50 Jahren schafften an einem Tag zwölf Neulinge die Prüfung, heute dauert bereits die Prüfungsfahrt 45 Minuten.“Mehr Pflichtfahrstunden sind gefordert, etwa auch in der Dunkelheit oder auf Autobahnen. In der Theorie ersetzen realistische Video-Sequenzen die zum Auswendiglernen einladenden Fragebögen, auch die theoretischen Kenntnisse werden stärker hinterfragt. Folge: Die Durchfallquote steigt.
Verbandsfunktionär Bartels hält den Beruf des Fahrlehrers weiter für attraktiv. „Die Zahl der neuen Führerscheine ist gleichbleibend, die demografischen Daten – einschließlich der Flüchtlinge – lassen sogar Steigerungen erwarten.“Er bestätigt, dass der Trend zu größeren Einheiten geht, also Fahrschulen mit mehreren Betriebsstätten. Eine für 2018 vorgesehen Novelle wird zwar die Eingangsvoraussetzungen für angehende Fahrlehrer vereinfachen, in der Ausbildung wird mehr Gewicht auf Verkehrspädagogik gelegt. Die Nachwuchssorgen der Branche haben auch ihre Ursache darin, dass manche angehenden Lehrer nach dem jetzt verpflichtenden dreimonatigen Praktikum lieber Berufs-Kraftfahrer werden. Als solche haben sie ähnliche Verdienstmöglichkeiten.
Die aktuelle Überalterung der Fahrlehrer ist auch die Folge der Neuausrichtung der Bundeswehr. Bis vor 20 Jahren kam die Hälfte der Lehrer nach zwölfjähriger Dienst- zeit vom Bund und nutzten die sechsmonatige (bezahlte) Übergangszeit, um die zivile Fahrlehrerausbildung zu absolvieren. Die Übergabe, der Verkauf der Fahrschule, einschließlich Räumlichkeiten, Technik, Kundenstamm, am besten an einen dort schon tätigen Fahrlehrer, wäre für die bisherigen Inhaber der optimale Übergang in den Ruhestand. Ein Problem für sie ist jedoch, dass es im Gegensatz zu wenigen anderen Berufen für Fahrschulen keinen Gebietsschutz gibt.