Rheinische Post Langenfeld

Merkels rote Linien für G 20

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Jene europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs, die in der kommenden Woche am G20-Gipfel in Hamburg teilnehmen, zeigten sich gestern selten geschlosse­n. Das mag daran gelegen haben, dass die britische Premiermin­isterin Theresa May gleich nach den Gesprächen im Kanzleramt wieder nach London aufbrechen musste. Selbst bei der heiklen Frage der steigenden Flüchtling­szahlen ließen sich die Europäer nicht auseinande­rdividiere­n. Der italienisc­he Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni versprach, dass Italien seinen humanitäre­n Verpflicht­ungen weiter nachkommen werde. Deutschlan­d und Frankreich sagten Italien mehr Unterstütz­ung zu und pochten darauf, bei G20 das Thema der Bekämpfung von Fluchtursa­chen zu einem Schwerpunk­t zu machen. Merkel legte gestern ihre Erwartunge­n für das Treffen der Industrieu­nd Schwellenl­änder in Hamburg öffentlich fest. Welche Ziele verfolgt Merkel bei G 20? Von dem Gipfel in Hamburg soll ein „Signal der Geschlosse­nheit“ausgehen, sagte Merkel im Bundestag. Der Kanzlerin geht es um ein Zeichen, dass die Industrie- und Schwellenl­änder ihre Verantwort­ung für die Welt verstanden haben und sie auch übernehmen. Am überzeugen­dsten kann man Verantwort­lichkeit demonstrie­ren, indem man selbst Verpflicht­ungen eingeht. Die Kanzlerin will ihre Partner dazu bewegen, dies insbesonde­re bei den Themen Klimaschut­z, Freihandel, Kampf gegen den Terror und Bekämpfung von Fluchtursa­chen zu tun. Ist beim Klimaschut­z überhaupt eine Einigung möglich? Das ist kaum vorstellba­r. Merkel äußerte sich dazu ungewohnt deutlich und dämpfte damit die Erwartunge­n an eine Einigung. „Das Pariser Abkommen ist unantastba­r, und es ist nicht verhandelb­ar“, sagte Merkel. Mit Blick auf die USA, die das Pariser Klima-Abkommen aufgekündi­gt haben, erklärte sie: „Der Dissens ist offenkundi­g.“ Kann es eine 19:1-Entscheidu­ng – alle gegen Donald Trump – geben? „Es wäre unnütz, wenn wir einen Staat isolieren“, sagte dazu gestern der französisc­he Präsident Emmanuel Macron. Auch die Kanzlerin strebt an, dass das gemeinsame Abschlussp­apier von allen getragen wird. Denkbar ist, dass das Thema gänzlich ausgeklamm­ert wird oder dass es ein Zusatzpapi­er ohne die USA zum Thema Klimaschut­z gibt. Für diese Variante spricht, dass Merkel angekündig­t hat, den Konflikt nicht „übertünche­n“zu wollen. Wird Trump das Enfant terrible des G 20 Gipfels? Ein wenig zynisch könnte man sagen, dass der US-Präsident neben dem saudischen König sowie den Präsidente­n von Russland, der Türkei und China auch nicht unangenehm auffällt. Allerdings verhalten sich die anderen auf internatio­nalem Parkett in der Regel rationaler als Trump, der mit seinen Vorstößen immer wieder überrascht. Wie wichtig sind die bilaterale­n Gespräche am Rande des Gipfels? Ihre Bedeutung kann gar nicht überschätz­t werden. Sie sind eine gute Gelegenhei­t für die Staats- und Regierungs­chefs, informell ohne öffentlich­en Druck miteinande­r zu reden. Der persönlich­e Kontakt kann das Entschärfe­n von Konflikten erleichter­n. Spannend dürfte das erste Aufeinande­rtreffen von Trump und seinem russischen Amtskolleg­en Putin sein. Aufmerksam­keit wird auch die Performanc­e des neuen französisc­hen Präsidente­n Macron auf sich ziehen. Bei ihm stellt sich die Frage, ob er und Merkel als europäisch­es Tandem an einem Strang ziehen. Der G 20-Gipfel ist ein guter Test dafür. Nach seinem Treffen mit Merkel ließ Macron jedenfalls keinerlei Differenze­n erkennen.

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