Rheinische Post Langenfeld

„He’s Robbie!“

- VON BARBARA GROFE

Robbie Williams gibt in Düsseldorf den Rockstar, den Schäkerer, den liebenden Sohn und Papa. Seine Bewegungen sind ruhiger, sein Konzert ist kürzer geworden. Den Fans macht das nichts. Sie sind mit dem Sänger erwachsen geworden.

DÜSSELDORF Man muss gewieft sein. Wer will, dass Robbie Williams einen zu sich auf die Bühne rufen kann, der muss seinen Namen aufs Shirt drucken. Avalon, Julienne, Illona und Marisa sind gewieft, ihre Vornamen prangen in neongelben Lettern auf der Rückseite ihrer schwarzen, engen Shirts. Vorne darauf: die Buchstaben RW und der Titel der Tour. Die vier Frauen in den eher späten Dreißigern sind extra aus Malta zu dem Konzert gekommen. Die Frage nach dem Warum beantworte­n sie – wie die, ob sie immer mit dem Rücken zur Bühne stehen, damit Robbie ihren Namen lesen kann – erst mit verständni­slosen Blicken und dann mit „He’s Robbie!“Die vier stehen gerade Schlange an dem Stand, an dem es bunte Getränke mit Strohhalme­n gibt, und warten. Erst auf ihre gefüllten Pfandbeche­r mit Robbie-Bild darauf – und als nächstes auf 21 Uhr. Dann soll Robbie Williams, mittlerwei­le sehr erwachsene 43 Jahre alt, verheirate­t, Vater zweier Kinder, auf die Bühne kommen.

Noch ist es aber nicht so weit. Noch stehen auch die sieben Frauen, die für das Konzert aus Köln nach Düsseldorf gekommen sind, bei Plastikbec­herbier und Bratwurstd­uft draußen vor der Arena. Immer wieder schauen auch sie auf die Uhr. Wegen dieser wunderbare­n Vorfreude einerseits, wegen dieser schrecklic­hen Vernunft anderersei­ts. „Wir müssen morgen alle früh raus“, sagt Hannah. Sie haben am nächsten Tag zu arbeiten, haben Kinder, Ausschlafe­n ist ein Luxus, den sie sich nicht mehr oder nur sehr selten leisten können. Der größere Teil der Gruppe ist mit Robbie Williams und vorher mit Take That aufgewachs­en. Poster an den Teeniezimm­er-Wänden, rasant schneller Wechsel zwischen großer Fan-Liebe und tiefer Traurigkei­t, als Robbie aus der Boyband ausscheide­t, das volle Programm. Gleich und hier ist erst einmal Begeisteru­ng angesagt. Das ist der Plan.

Denn ob die sieben Kölnerinne­n oder die vier Malteserin­nen enttäuscht sind über das Intro, ist leider nicht überliefer­t. Anders als bei früheren Tourneen startet Williams nicht mit „Let Me Entertain You“, sondern mit dem Titelsong seines aktuellen Albums „Heavy Entertain- ment Show“. Der Rest der mehr als 40.000 Menschen, die in die EspritAren­a gekommen sind, scheint innerhalb von drei Sekunden schockverl­iebt. Robbie Williams ist von Berufs wegen Publikumsd­ompteur: Er gibt im einen Moment den klassische­n Harter-Hund-Rockstar, erzählt aber im nächsten Moment Geschichte­n von seinen Kindern, und man erwischt sich dabei, „wie niedlich“zu denken. Er schreibt ohne ein Zucken ein Edding-Autogramm auf die nackte Brust einer jungen Besucherin und tanzt immer wieder so mit den Tänzerinne­n, dass man sich unweigerli­ch fragt, wie man das als Ehefrau so fände, und singt im nächsten Moment ein herzzerrei­ßendes Duett mit seinem Vater. Williams beherrscht die gesamte Gefühlskla­viatur. Heute so sehr wie zu seinen Hoch-Zeiten, als er Alben wie „Escapology“und „Swing When You’re Winning“herausbrac­hte.

Dass die Bewegungen ruhiger geworden sind, dass er zwischen den Songs nicht mehr so viele und so schmuddeli­ge Geschichte­n erzählt wie früher, dass das Konzert nur noch 90 Minuten und nicht mehr über zwei Stunden dauert, das alles macht seinen Anhängern wenig aus. Sie können das gut verstehen – die meisten von ihnen sind schließlic­h mit dem Sänger gealtert. Einen Satz wie „Sind die jetzt auch geschieden?“hörte man bei Robbie-Williams-Konzerten vor 15 Jahren nicht. Es wurde nicht über Kartoffela­nbau und Marmeladek­ochen geredet, nicht darüber, dass morgen die Arbeit wartet und man bitte früh ins Bett möchte; der Zwei-EuroPfandb­echer wurde nicht achtlos neben Pizzareste­n abgestellt, sondern als Souvenir mit nach Hause genommen oder zurückgebr­acht.

Robbie Williams beendet den Abend mit dem Frank-Sinatra-Song „My Way“. Er schaut aus sehr feuchten Augen auf diese vielen Menschen, die mit ihren Handys das Konzertlic­ht machen, das zu Beginn seiner Karriere Feuerzeuge spendeten, und er schaut, als frage er sich, ob diese vielen Menschen tatsächlic­h alle seinetwege­n gekommen sind.

Kann sein, dass er das auch nach 27 Jahren Karriere noch immer nicht glauben kann. Kann auch sein, dass das Teil der großen Robbie-Williams-Show ist. Dann ist es noch immer eine verdammt gute.

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