Rheinische Post Langenfeld

Waschbär entert auch Vogelfutte­rhäuser

- VON RALF GERAEDTS

Der Allesfress­er macht sich in Gruiten breit. Jäger Karl-August Niepenberg schätzt den Bestand auf 70 bis 80 Tiere.

HAAN Eines Abends hörte HansJoachi­m Friebe kratzende Geräusche. Der Gruitener Landschaft­swächter schaute aus dem Fenster und staunte. Da kletterte ein Waschbär an einer glatten Holzwand hoch und schaffte es, ein hängendes Vogelhaus leerzufres­sen. Als das abgehängt war, nahm sich der Waschbär in den nächsten Tagen das Haus im Vorgarten vor. Doch das wird ab sofort leer bleiben.

„Der Waschbär ist zur Plage geworden und sorgt für große Schäden“, stellt Friebe fest. Dabei meint er nicht seine vom nachtaktiv­en Tier komplett verputzte Erdbeerern­te, sondern viel mehr die durch des Waschbärs Fresslust sehr dezimierte Kreuzkröte­n-Population in der Grube 7 oder die geplündert­en Singvogeln­ester. Trotz allen Grolls: Aus Gründen des Naturschut­zes gebe es aber keine Berechtigu­ng, diesem Tier irgendwelc­hes Leid anzutun, steht für Friebe fest.

Der Gruitener Jäger Karl-August Niepenberg hat eine etwas andere Perspektiv­e. Die Entwicklun­g der Waschbär-Population sei „dramatisch“. Das macht der Jäger unter anderem fest an der Zahl auf Straßen überfahren­er Waschbären. „Wir Jäger sehen die ganz selten, wenn wir ansitzen. Die Klagen von Bürgern nehmen zu“, berichtet Niepenberg, der dringend davon abrät, Katzen draußen zu füttern oder – etwa nach dem Grillen – Essensrest­e draußen stehen zu lassen. „Das lockt den Waschbären an.“Die Tiere machen es sich unter Carports gemütlich, oder sogar unterm Dach. Sollte das passieren, kann Niepenberg „nur raten, sich mit einem guten Dachdecker in Verbindung zu setzen“. Wenn sicher sei, dass das Tier gerade nicht unterm Dach hause, müssten alle Lücken geschlosse­n werden. Waschbären könnten Dachpfanne­n, die nicht ganz fest liegen, sogar anheben.

„Als Jäger sind wir bemüht, den Schaden so gering wie möglich zu halten und den Waschbären zu bejagen.“Die Tiere könnten im Grunde nur in Fallen gefangen werden – aber da hat das geltende ökologisch­e Jagdgesetz in Nordrhein-Westfalen einen schweren Riegel vorgeschob­en. Unter diesem Aspekt hofft Niepenberg darauf, dass die neue Landesregi­erung die vom letzten Umweltmini­ster Johannes Remmel (Grüne) erlassenen Bestimmung­en wieder lockert.

Niepenberg schätzt, dass es in Gruiten 70 bis 80 Waschbären gibt. Damit entspräche deren Population in etwa der der Füchse, die die Jäger aber mit der Jagd kontrollie­ren können. Gegen den Waschbär sei praktisch kein Kraut gewachsen. „Als Kulturfolg­er sind sie im Grunde überall.“Und: Diese „Invasorent­iere“haben hier keine natürliche­n Feinde. Allenfalls Jungtiere würden nachts schon mal Beute eines jagenden Uhus.

Niepenberg überrascht mit der Bemerkung, dass der Bestand der großen Nachteulen in unserer Region der größte europaweit sei. Dem Uhu sei es zu verdanken, dass die Zahl der Krähen zurückgega­ngen ist. Jetzt aber sei es vielfach der Waschbär, der an Bäumen hochklette­re und Singvogeln­ester leer fresse. Im Osterholz gebe es viele Waschbären. Spaziergän­ger hätten die Tiere dort sogar schon tagsüber bei ihrer Fressjagd in den Bäumen gesehen.

Der Waschbär wurde als Pelzliefe- rant in den 1920/30er Jahren aus Nordamerik­a zu uns gebracht und lebte hauptsächl­ich in Pelzfarmen. Mit dem Ziel, ihn bei uns anzusiedel­n, wurden Exemplare 1934 in Hessen erstmals ausgesetzt. Hessen war später auch das erste Bundesland, das den Waschbär auf die Liste der jagdbaren Tiere setzte. Auf selbiger ist er inzwischen in jedem Bundesland geführt. Allerdings: Eine Bejagung mit dem Ziel, die Population zu begrenzen, hat nach Ansicht des Naturschut­zbundes kaum Aussicht auf nachhaltig­en Erfolg. Denn nehme die Population ab, gleiche der Waschbär das durch eine höhere Fortpflanz­ungsrate aus. Und: In freie Reviere rücken Exemplare aus der Nachbarsch­aft nach.

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