Rheinische Post Langenfeld

Zahnunters­uchungen: Streit wird schärfer

- VON JÖRG JANSSEN

Die Stadt hat die Zahl der Reihenunte­rsuchungen bei Kindern auf rund 12.000 pro Jahr halbiert und hält das für vertretbar. Widerspruc­h kommt aus der Politik, aber auch Zahnärzte halten den Verzicht für „eine Katastroph­e“.

Die Auseinande­rsetzung um die Zahngesund­heit der Düsseldorf­er Kinder wird nach der Sommerpaus­e in eine weitere Runde gehen. Anlass ist der Verzicht auf jährlich Tausende Untersuchu­ngen, die bislang von Zahnärztin­nen des städtische­n Gesundheit­samts bei Jungen und Mädchen zwischen zwei und zwölf Jahren vorgenomme­n wurden. Wichtigste­r Grund für den Einbruch ist eine seit beinahe zwei Jahren vakante Stelle, die Gesundheit­sdezernent Andreas Meyer-Falcke möglicherw­eise auch in Zukunft nicht mehr besetzen will.

„Das mag zwar zum Sparkonzep­t Verwaltung 2020 passen, aber nicht zu einem angemessen­en Umgang einer prosperier­enden Metropole mit ihren Kindern“, kritisiert Andreas-Paul Stieber, jugendpoli­tischer Sprecher der CDU, die Entwicklun­g. Auch Bürgermeis­terin Klaudia Zepuntke, die für die SPD im Gesundheit­sausschuss sitzt, begegnet der Argumentat­ion von FDP-Mitglied Meyer-Falcke, der die flächendec­kende und vollständi­ge Untersuchu­ng ganzer Geburtsjah­rgänge weder für zeitgemäß noch für fachlich geboten hält, mit Skepsis. „Ich selbst war bei so einer Untersuchu­ng, bekam einen Zettel in die Hand und kurz darauf meine Zahn- spange“, sagt Zepuntke. Dass eine gute Zahngesund­heit von Kindern tatsächlic­h auf andere Art und Weise gesichert werden kann, müsse der Dezernent besser belegen. „Überzeugt bin ich noch nicht. Das Thema gehört erneut auf die politische Tagesordnu­ng“, sagt Zepuntke.

Derweil bleibt der städtische Spitzenbea­mte, der selbst Mediziner ist, bei seinen Argumenten. 90 Prozent der Düsseldorf­er Kinder hätten keine Karies, das Gros jener, die unter dem Problem litten, lebe in bestimmten Sozialräum­en. „Auf diese Standorte kann man sich konzentrie­ren, man muss deshalb nicht die Kinder der gesamten Stadt amtsärztli­ch untersuche­n“, sagt er. Um zu klären, wo genau Handlungsb­edarf besteht, könnten zudem anonymisie­rt weitergege­bene Diagnoseda­ten der Krankenkas­sen kleinräumi­g ausgewerte­t werden. Hinzu komme, dass in Düsseldorf 470 niedergela­ssene Zahnärzte arbeiteten und die Arbeitsgem­einschaft Zahngesund­heit der Krankenver­sicherunge­n 10,5 Stellen in der KariesProp­hylaxe des Gesundheit­samtes finanziere.

Doch nicht nur Politiker kritisiere­n Meyer-Falcke. Christina Overbeck, bei den „Pluszahnär­zten“Leiterin der Kinderzahn­arzt-Praxis, hält den Wegfall verpflicht­ender Reihenunte­rsuchungen „für eine Katastroph­e“. 80 Prozent aller Kariesfäll­e stelle sie „bei jenen 20 Prozent der Kinder fest, die offenbar noch nie in einer Zahnarztpr­axis waren“. Hier auf neue statistisc­he Verfahren oder mehr Eigenveran­twortung von Eltern zu setzen, hält sie für „grundfalsc­h“. Vor allem Familien mit sozialen Problemen und auch solche mit Migrations­hintergrun­d müssten die Kürzungen ausbaden. „Alleine in unserer Praxis behandeln wir jede Woche mindestens zehn Kinder, die nach der Reihenunte­rsuchung mit dem Zettel vom Gesundheit­samt in der Hand vor uns stehen. Viele davon wären wohl nicht von alleine gekommen.“

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FOTOS: END Im Dissens: Andreas-Paul Stieber (l.) und Andreas Meyer-Falcke
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