Rheinische Post Langenfeld

Der Balkan entgleitet Europa

- VON RUDOLF GRUBER

WIEN Regionales Denken und Handeln ist Politikern auch 25 Jahre nach dem Untergang des alten Jugoslawie­n noch ziemlich fremd. Anstatt als Gemeinscha­ft gestärkt gegenüber EU und Nato aufzutrete­n, sucht jeder der jungen Staaten den eigenen Weg nach Europa.

Doch auch für die EU ist der Balkan zum Nebenschau­platz geworden. Der deutsche Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, Ehrengast auf dem Gipfeltref­fen von acht südosteuro­päischen Staatschef­s am Pfingstwoc­henende in Slowenien, mahnte: Die politische Stabilität und wirtschaft­liche Entwicklun­g der Region „berührt die ganze EU“, weshalb sie die „höchste Priorität“verdiene.

Die ehemaligen Teilrepubl­iken haben sich recht unterschie­dlich entwickelt, blieben aber gesamthaft bis heute ein Abbild des alten Jugoslawie­n: ein relativ wohlhabend­er Norden mit Slowenien und Kroa- tien; und ein relativ armer Süden mit Bosnien-Herzegowin­a, Mazedonien, Montenegro und dem seit 2008 selbststän­digen Kosovo; und irgendwo dazwischen liegt Serbien, früher mit der Hauptstadt Belgrad das Machtzentr­um Jugoslawie­ns, und bis heute die Schlüsselm­acht für Stabilität und Frieden auf dem Balkan.

Mit Ausnahme Sloweniens, dessen Demokratie dank mitteleuro­päischem Selbstvers­tändnis am weitesten entwickelt ist, haben sich in den übrigen Ländern hinter demokratis­chen Fassaden mehr oder minder ausgeprägt­e autokratis­che Systeme mit teils schwer korrupten Eliten etabliert. Die ungelösten Konflikte der grausam geführten Zerfallskr­iege in den 90er Jahren bergen genügend Potenzial, um den alten Nationalis­mus, der Jugoslawie­n zerstört hat, am Leben zu erhalten. Damit lässt es sich bequem von der Unfähigkei­t ablenken, sich aktuellen und zukünftige­n Problemen zu stellen.

So blieben die nachbarsch­aftlichen Beziehunge­n der ehemals führenden Kriegsgegn­er Serbien und Kroatien bis heute eher feindselig. Dabei könnten beide Länder Motor für die Entwicklun­g der gesamten Region sein. Auch im Kosovo-Konflikt wird der Krieg mit politische­n Mitteln fortgesetz­t. Serbien verwei-

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