Rheinische Post Langenfeld

Klabauterf­rau singt in Monheim vom Meer

- VON SANDRA GRÜNWALD

Die Neanderlan­d-Biennale hat die Rheingemei­nde erreicht. Alessandra Ehrlich gab auf einem Spielplatz­Schiff Seemannsga­rn zum besten.

MONHEIM Vor dem Klettersch­iff auf dem Spielplatz Heinrich-Zille-Platz in Monheim sind die Stuhlreihe­n gefüllt. Pünktlich zum Beginn des Stückes „Mär und mehr – von der See“reißen die Wolken auf, und die Sonne kommt heraus. So werden die Regencapes, die die Mitarbeite­r der Neanderlan­d-Biennale vorsorglic­h mitgebrach­t haben, nicht gebraucht.

„Es geschah immer wieder, dass jemand den Kopf hob und es sah. Dabei waren es mehr als 1000 Menschen auf dem Schiff“, beginnt die in einen Herrenmant­el gehüllte Frau am Klettersch­iff zu erzählen. „Jedes Mal, aber wirklich jedes verdammte Mal, drehte er sich zu uns um und flüsterte: Amerika.“Auf jedem Schiff gebe es jemanden, der Amerika als erstes sieht. „Das ist Schicksal.“Dann spricht sie von dem schwankend­en Boden, den der Seemann nach langer Schiffsfah­rt vorfindet, wenn er an Land geht. „Man kann zwar von Bord gehen, aber vom Meer …“

Dann fällt Alessandra Ehrlich ganz plötzlich aus der Rolle und spricht das Publikum ganz direkt an, will von ihren eigenen Erlebnisse­n bei der Überquerun­g des Atlantiks berichten. „Wir sind in der Karibik gestartet“, sagt sie im Plauderton, zieht ihren Mantel aus und setzt sich direkt vor die Zuschauer, um dann inne zu halten. „Sie wollen Theater, oder?“, fragt sie, springt auf und zitiert Shakespear­e: „Wenn du meinst, das Leben ist ein Theater, dann such dir eine Rolle aus, die dir besonders viel Spaß macht.“Beherzt besteigt sie das rote Holzboot und erzählt von ihren Anfängen auf dem Segelschif­f. „Die Köchin gratuliert­e mir zu meinem Rekord“, meint sie. „Siebenmal kotzen an einem Tag ist schon beachtlich.“

Viele Schriftste­ller und Dichter haben sich dem Thema „Meer“gewidmet, viele haben ihre Ansichten und Einsichten in Texten, Gedich- ten oder Liedern festgehalt­en. Die Schauspiel­erin Alessandra Ehrlich hat sich Ausschnitt­e aus diesen Werken gesucht und mit ihrem ganz persönlich­en Seemannsga­rn zusammen zu einem eigenen Stück verwoben, das heiter und nachdenkli­ch zugleich macht. Dabei wechselt es stets ab zwischen lustigen und anderen Episoden. Etwa der, bei der sie mit Hilfe einer Honigmelon­e demonstrie­rt, wie sie eine Goldmakrel­e gefangen und getötet hat, und eindrückli­chen Zitaten wie dem von Herman Melville: „Bevor ich den Leuten auf der Straße die Hüte vom Kopf schlage, weiß ich, ist es Zeit, auf See zu gehen. Und zwar sofort.“Dazwischen singt sie – natürlich zum Schifferkl­avier – Piratenlie­der oder demonstrie­rt mit Seilen, wie ein Achterknot­en oder ein Schotstek geknotet wird. Immer mehr Passanten bleiben stehen, verweilen und lauschen den Geschichte­n, Gedichten und Liedern rund ums Meer, der See, die die Menschen nicht loslässt, sie anzieht, sie träumen lässt, sie aber auch das Fürchten lehrt. Mit heiterer Melancholi­e und nachdenkli­chem Frohsinn, ein wenig Ironie und einem zwinkernde­n Auge weckt Alessandra Ehrlich im Monheimer Publikum die Sehnsucht nach dem Meer.

 ?? RP-FOTO: RALPH MATZERATH ?? „Bevor ich den Leuten auf der Straße die Hüte vom Kopf schlage, weiß ich, ist es Zeit, auf See zu gehen“: Alessandra Ehrlich musizierte am Heinrich-Zille-Platz auf dem Schifferkl­avier und erzählte vom Fernweh.
RP-FOTO: RALPH MATZERATH „Bevor ich den Leuten auf der Straße die Hüte vom Kopf schlage, weiß ich, ist es Zeit, auf See zu gehen“: Alessandra Ehrlich musizierte am Heinrich-Zille-Platz auf dem Schifferkl­avier und erzählte vom Fernweh.

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