Rheinische Post Langenfeld

Einrichtun­g für psychisch Kranke feiert

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Wenn Shawn sich unterhält, wendet sich der 22-Jährige von seinem Gesprächsp­artner ab. Sein Blick schweift in die Ferne. Augenkonta­kt gibt es nicht. Shawn ist ganz und gar nicht unhöflich. Shawn ist Autist (Asperger-Syndrom). Seit drei Monaten lebt er nun in Richrath im „Tipi“, das ist eine Einrichtun­g für junge Menschen, die aus unterschie­dlichen Gründen mit ihrem Leben nicht zurechtkom­men. „Ich habe mich gut eingelebt“, sagt Shawn freundlich. „Ich will hier selbstbewu­sst werden“. Viele Menschen sind gekommen, um mit den Betreibern von „Tipi“und den Bewohnern zu feiern. Neben dem großen Wohnhaus, in dem zwölf Jugendlich­e untergebra­cht sind, wurde ein weiteres Haus angemietet, worin stabilisie­rte Patienten ein nahezu autarkes Leben üben und sich so auf die Zeit nach „Tipi“vorbereite­n können. Der dazugehöri­ge Garten bietet genügend Platz für das Sommerfest, für Kuchenund Grillstand, eine Tombola, Sitzgelege­nheiten und eine Bühne, auf der sich Musik mit Poetry Slam und Kleinkunst abwechselt. Die Sonne scheint, die Stimmung ist friedlich. Ein in sich gekehrtes junges Mädchen sitzt auf einer Decke und beobachtet den Bartagam „Wusel“, dessen Besitzerin als Nachtwache in der Einrichtun­g arbeitet. Einrichtun­gsleiter Lutz Fischer genießt sichtlich den Nachmittag und hat Zeit für eine Bilanz. „Wir haben im Juli 2012 dieses Projekt gestartet, mit einer Rundumbetr­euung unserer Bewohner durch Sozialarbe­iter, Nachtwache­n und natürlich einer Psychologi­n. Dieses Angebot ist extrem wichtig, denn die Jugendlich­en, die zu uns kommen, sind häufig schwer traumatisi­ert und müssen unbedingt jederzeit aufgefange­n werden können.“Sarah war 2012 eine der ersten Bewohnerin­nen im „Tipi“. Die damals 16-Jährige wechselte von einer Wohngruppe in Düsseldorf in das neue Projekt. „In Düsseldorf gab es nicht diese intensive therapeuti- sche Begleitung, die ich dringend benötigte“, erinnert sich Sarah, die zwei Jahre blieb, unter anderem wegen schwerer Depression­en. „Ich fühlte mich hier sicher und beschützt. Ich hatte zwei Betreuer, die ununterbro­chen für mich da waren. Anders hätte ich es damals nicht geschafft.“Sarah Dreker ist Psychologi­n in der Einrichtun­g. Seit zwei Jahren hilft sie den jungen Menschen dabei, aufzuarbei­ten, Perspektiv­en, aber vor allem eine stabile Identität zu finden. „Die Störungsbi­lder sind unterschie­dlich: Essstörung­en, Persönlich­keitsstöru­ngen, Depression­en, Angst- und Zwangsstör­ungen, viele tendenziel­l suizidal, daher auch die engmaschig­e Betreuung. Wir nehmen allerdings keine suchtkrank­en und gewalttäti­gen Patienten auf – unsere Wohngruppe muss ein sicherer Ruheort für die Bewohner sein.“37 Jugendlich­e hat Tipi bislang betreut, im Durchschni­tt bleiben die Bewohner zwei Jahre. „Wir möchten, dass sie solange bleiben, wie sie es brauchen. Wir sind dankbar, dass die finanziere­nden Jugendämte­r sich kooperativ zeigen“, so Lutz Fischer, „Ein psychisch Kranker hat ein Recht auf Hilfe, Rückschläg­e und auch auf Scheitern. Das bedeutet vor allem eines: Zeit.“DanieleFun­ke

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