Durchsichtiges Manöver
Die flüchtlingspolitische Offensive des SPDKanzlerkandidaten hat wenig mit Flüchtlingspolitik, aber viel mit Verzweiflung zu tun. Martin Schulz ist laut Umfragen so weit vom Kanzleramt entfernt wie Würselen von Berlin. So zieht er nun die Grenzöffnung von 2015, mit der die Kanzlerin viele Bürger gegen sich aufbrachte, in den Wahlkampf 2017. Auf der Klaviatur der Überfremdungsängste können auch Sozialdemokraten spielen.
Aber Neues bringt Schulz nicht. Niemand will erneut Hunderttausende Flüchtlinge ohne geklärte Identität ins Land lassen. Auch die Kanzlerin nicht. Asyl-Gesetze wurden verschärft, die Balkan-Route geschlossen, der Türkei-Pakt in Kraft gesetzt. Die Flüchtlingszahlen sanken. Nun braucht es eine Ordnung, wer jenseits von tatsächlich Schutzbedürftigen kommen darf und wer nicht (Einwanderungsgesetz). Dazu eine entschlossene Sicherung der EU-Außengrenzen, Hilfen vor Ort in Nordafrika, Flüchtlingskontingente gegen das tödliche Schlepper-Geschäft auf dem Mittelmeer. All das sieht Schulz wie Merkel. 2015 gehörte er übrigens noch zu den Unterstützern der Kanzlerin. „Frau Merkel hat ganz klar eine Position bezogen, die ich teile“, sagte er damals. Da war Schulz Präsident des EUParlaments. Heute ist er SPD-Wahlkämpfer. BERICHT SCHULZ WIRFT MERKEL ZYNISMUS VOR, TITELSEITE
Türkei und Wahlkampf
Hätte die Bundesregierung ihre Gangart gegenüber der Türkei auch ohne Wahlkampf so verschärft? Die Frage lässt sich schwer beantworten. Im Wahlkampf ist alles Wahlkampf. Klar ist, dass der Schritt fällig war – politisch, strategisch und im Sinne der öffentlichen Meinung.
Mit den verschärften Reisehinweisen und der Ankündigung wirtschaftlicher Einschränkungen hat die Bundesregierung die Türkei an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen. Zumal die Botschaft eindeutig war, wonach Deutschland in beiden Punkten mit noch schärferen Maßnahmen nachlegen könnte. Die Reaktion der Türkei vom Wochenende belegt, dass der neue Kurs der Bundesregierung Wirkung zeigt. Der türkische Präsident Erdogan rüstete verbal ab, verwies auf Gemeinsamkeiten – freilich ohne seine Position zu verändern.
Um sich in Europa und in der Nato in der TürkeiFrage nicht zu isolieren, wird auch die Bundesregierung zum sachlichen Ton Verbündeter in einer Zweckgemeinschaft zurückkehren müssen. So schwer es auch fällt im Wahlkampf. BERICHT
Brandherd Nahost
Wenn heute in New York der Weltsicherheitsrat zusammentritt, um die sich bedrohlich aufschaukelnde Unsicherheitslage im israelisch-palästinensischen Konflikt zu beraten, wird es wie schon so oft gegenseitige Schuldzuweisungen hageln. Das alles hilft niemandem. Es wird hoffentlich nicht die Stunde der Scharfmacher.
Es war ein blutiges Wochenende. Verständlich das Ansinnen Israels, seinen Bürgern Sicherheit zu gewähren – soweit es geht. Verständlich aber auch das Begehren der Palästinenser, nicht weiter beim Besuch ihrer heiligen Stätten in Jerusalem behindert zu werden. Israel muss die Sicherheitsschleusen abbauen, die nach Ansicht des eigenen Geheimdienstes falsch und gefährlich sind. Palästinenserpräsident Abbas hat alle Beziehungen zu Israel ausgesetzt. Das ist unklug, denn Krisenbewältigung lässt sich am besten in direkten Gesprächen erreichen. Gelingt das nicht, droht dem Nahen Osten eine neue Gewaltwelle mit der Gefahr, auf die ohnehin instabile Nachbarregion überzugreifen – ein Spiel mit dem Feuer. Gefragt sind Mäßigung und Rückkehr zur Vernunft. BERICHT ISRAEL INSTALLIERT VIDEOKAMERAS . . ., TITELSEITE