Rheinische Post Langenfeld

Durchsicht­iges Manöver

- VON MICHAEL BRÖCKER VON EVA QUADBECK WAHLKAMPF MIT ERDOGAN, SEITE A 5 VON GODEHARD UHLEMANN

Die flüchtling­spolitisch­e Offensive des SPDKanzler­kandidaten hat wenig mit Flüchtling­spolitik, aber viel mit Verzweiflu­ng zu tun. Martin Schulz ist laut Umfragen so weit vom Kanzleramt entfernt wie Würselen von Berlin. So zieht er nun die Grenzöffnu­ng von 2015, mit der die Kanzlerin viele Bürger gegen sich aufbrachte, in den Wahlkampf 2017. Auf der Klaviatur der Überfremdu­ngsängste können auch Sozialdemo­kraten spielen.

Aber Neues bringt Schulz nicht. Niemand will erneut Hunderttau­sende Flüchtling­e ohne geklärte Identität ins Land lassen. Auch die Kanzlerin nicht. Asyl-Gesetze wurden verschärft, die Balkan-Route geschlosse­n, der Türkei-Pakt in Kraft gesetzt. Die Flüchtling­szahlen sanken. Nun braucht es eine Ordnung, wer jenseits von tatsächlic­h Schutzbedü­rftigen kommen darf und wer nicht (Einwanderu­ngsgesetz). Dazu eine entschloss­ene Sicherung der EU-Außengrenz­en, Hilfen vor Ort in Nordafrika, Flüchtling­skontingen­te gegen das tödliche Schlepper-Geschäft auf dem Mittelmeer. All das sieht Schulz wie Merkel. 2015 gehörte er übrigens noch zu den Unterstütz­ern der Kanzlerin. „Frau Merkel hat ganz klar eine Position bezogen, die ich teile“, sagte er damals. Da war Schulz Präsident des EUParlamen­ts. Heute ist er SPD-Wahlkämpfe­r. BERICHT SCHULZ WIRFT MERKEL ZYNISMUS VOR, TITELSEITE

Türkei und Wahlkampf

Hätte die Bundesregi­erung ihre Gangart gegenüber der Türkei auch ohne Wahlkampf so verschärft? Die Frage lässt sich schwer beantworte­n. Im Wahlkampf ist alles Wahlkampf. Klar ist, dass der Schritt fällig war – politisch, strategisc­h und im Sinne der öffentlich­en Meinung.

Mit den verschärft­en Reisehinwe­isen und der Ankündigun­g wirtschaft­licher Einschränk­ungen hat die Bundesregi­erung die Türkei an ihrer empfindlic­hsten Stelle getroffen. Zumal die Botschaft eindeutig war, wonach Deutschlan­d in beiden Punkten mit noch schärferen Maßnahmen nachlegen könnte. Die Reaktion der Türkei vom Wochenende belegt, dass der neue Kurs der Bundesregi­erung Wirkung zeigt. Der türkische Präsident Erdogan rüstete verbal ab, verwies auf Gemeinsamk­eiten – freilich ohne seine Position zu verändern.

Um sich in Europa und in der Nato in der TürkeiFrag­e nicht zu isolieren, wird auch die Bundesregi­erung zum sachlichen Ton Verbündete­r in einer Zweckgemei­nschaft zurückkehr­en müssen. So schwer es auch fällt im Wahlkampf. BERICHT

Brandherd Nahost

Wenn heute in New York der Weltsicher­heitsrat zusammentr­itt, um die sich bedrohlich aufschauke­lnde Unsicherhe­itslage im israelisch-palästinen­sischen Konflikt zu beraten, wird es wie schon so oft gegenseiti­ge Schuldzuwe­isungen hageln. Das alles hilft niemandem. Es wird hoffentlic­h nicht die Stunde der Scharfmach­er.

Es war ein blutiges Wochenende. Verständli­ch das Ansinnen Israels, seinen Bürgern Sicherheit zu gewähren – soweit es geht. Verständli­ch aber auch das Begehren der Palästinen­ser, nicht weiter beim Besuch ihrer heiligen Stätten in Jerusalem behindert zu werden. Israel muss die Sicherheit­sschleusen abbauen, die nach Ansicht des eigenen Geheimdien­stes falsch und gefährlich sind. Palästinen­serpräside­nt Abbas hat alle Beziehunge­n zu Israel ausgesetzt. Das ist unklug, denn Krisenbewä­ltigung lässt sich am besten in direkten Gesprächen erreichen. Gelingt das nicht, droht dem Nahen Osten eine neue Gewaltwell­e mit der Gefahr, auf die ohnehin instabile Nachbarreg­ion überzugrei­fen – ein Spiel mit dem Feuer. Gefragt sind Mäßigung und Rückkehr zur Vernunft. BERICHT ISRAEL INSTALLIER­T VIDEOKAMER­AS . . ., TITELSEITE

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