Rheinische Post Langenfeld

Weder Tonband noch frische Luft für NSU-Angeklagte

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MÜNCHEN (her) 375 Verhandlun­gstage hat es gebraucht und eine ganze Menge Optimismus, nun war es tatsächlic­h so weit: Die Bundesanwa­ltschaft hat nach vier Jahren NSU-Prozess mit ihrem Plädoyer begonnen. Das ging auf den letzten Metern so schnell, dass Bundesanwa­lt Herbert Diemer selbst davon überrascht war. Als der Vorsitzend­e Richter am Oberlandes­gericht München, Manfred Götzl, ihn bat, seine Vorwürfe gegen Beate Zschäpe und die vier weiteren Angeklagte­n des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“(NSU) letztmals zu begründen, sagte Diemer: „Ich würde gern meine Notizen holen, die habe ich noch oben.“

Das war es allerdings dann auch mit guter Laune. Die Bundesanwa­ltschaft hält die Vorwürfe gegen die Hauptangek­lagte Zschäpe aufrecht. Sie habe alle Morde und Anschläge des NSU „als Mittäterin“begangen. „Die Täter, Hoher Senat, waren Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe“, sagte der Vertreter der Anklage. Zschäpe, die seit Auffliegen des NSU 2011 in Untersuchu­ngshaft sitzt, muss mit einer lebenslang­en Freiheitss­trafe rechnen, wenn das Gericht der Anklage folgt.

Dem Auftakt zu dem 22 Stunden langen Plädoyer, das auf mehrere Tage verteilt gehalten wird, waren Streitigke­iten vorangegan­gen. Die Verteidige­r der Anklage hatten verlangt, dass das Plädoyer entgegen der Übung auf Tonband aufgezeich­net oder aber mitstenogr­afiert wird. Das Gericht hat alle Anträge abgelehnt. Weil die NSU-Anwälte dann überrasche­nd auf einen weiteren Befangenhe­itsantrag verzichtet­en, gingen die Plädoyers los. Der Angeklagte Ralf Wohlleben beklagte sich später, er komme beim Mitschreib­en des Plädoyers nicht nach. Und wegen schlechter Luft im Gefängnis könne er sich auch nicht in der Pause von der Anstrengun­g erholen.

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