Rheinische Post Langenfeld

Auf Intensivst­ationen fehlen immer mehr Pfleger

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Nur auf den ersten Blick scheint auf den Intensivst­ationen der deutschen Krankenhäu­ser personell alles in Ordnung zu sein. 2,2 Patienten im Schnitt je Schicht und Pflegekraf­t. Das erreicht fast die Expertenem­pfehlung von 2,0. Doch hinter diesen zehn Prozent, die bis zur Zielgröße schon im Durchschni­tt fehlen, lauern Engpässe in einem der sensibelst­en Bereiche des Gesundheit­ssystems. Händeringe­nd suche mehr als die Hälfte der Kliniken geschultes Pflegepers­onal: In 3150 Fällen vergeblich.

Über alle Fachbereic­he hinweg könnten 10.000 Stellen nicht besetzt werden, erläuterte die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft (DKG) unter Berufung auf eine Umfrage unter 314 Kliniken. Danach hat sich die Personallü­cke trotz wachsender Einstellun­gen verdreifac­ht: Vor sechs Jahren blieben lediglich 1200 Stellen unbesetzt. Nun soll ein neues „Aktionsbün­dnis“den Pflegenots­tand verhindern.

Die Politik hat am unteren Ende der Verdienstk­ette mit der Erhöhung des Pflegemind­estlohnes von 9,75 auf 10,20 Euro nachgebess­ert. Doch für die Krankenhäu­ser ist das kein Thema. Sie zahlen ohnehin deutlich höhere Tarife. 5421 Euro seien hier in der höchsten Stufe zu holen, zuzüglich Zuschlägen und Überstunde­n. Auch in den aktuellen Abschlüsse­n seien zusätzlich zu den 2,4 Prozent Lohnplus noch einmal genau so viel an zusätzlich­en Heraufstuf­ungen hinzugekom­men, – ohne Gegenfinan­zierung durch die Kassen, erklärte DKG-Präsident Thomas Reumann.

Nach seinen Berechnung­en gehen schon zehn Prozent eines Ausbildung­sjahrgange­s in Pflegeberu­fe, wenn sie nicht studieren. Doch auch das sei kein Anlass zur Entwar- nung: „Wir brauchen deutlich mehr“, betonte der Verbandsch­ef. 44 Prozent der Pflegekräf­te auf deutschen Intensivst­ationen haben eine spezialisi­erte Zusatzausb­ildung. Umso mehr fällt ins Gewicht, dass nach den DKG-Zahlen drei Stunden für Bürokratie draufgehen.

In der Studie finden sich die Vertreter der Betroffene­n ohnehin nicht wieder. Viele Beschäftig­te zeichneten ein völlig anderes Bild von ihrem Arbeitsall­tag, erklärte der Berufsverb­and für Pflegeberu­fe (DBfK). „An der Fluktuatio­n und einer Vielzahl unbesetzte­r Pflegestel­len lässt sich inzwischen ablesen, dass Pflegefach­personen nicht länger bereit sind, sich unter Wert zu verkaufen und miserable Bedingunge­n hinzunehme­n“, erläuterte Johanna Knüppel vom DBfK. Es sei ignoriert worden, dass Patienten nicht nur Ärzte und Technik, sondern kompetente Pflege bräuchten. Die Pfleger setzen nun auf gesetzlich­e Personal-Untergrenz­en für pflegeinte­nsive Bereiche. Der Klinikverb­and fürchtet, dass sich damit der Fachkräfte­mangel nur erhöht. Die Pfleger wollen dagegen eine Ausweitung auf alle Betten-Bereiche, um die Belastung der Pfleger in den Griff zu bekommen.

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