Rheinische Post Langenfeld

Fotografin spielt mit Vorurteile­n

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Die Ausstellun­g „Schubladen“in der LVR-Klinik zeigt, wie oft wir einen falschen ersten Eindruck haben.

CRISTINA SEGOVIA-BUENDIA LANGENFELD „Wer bin ich?“, scheint ein kerniger Mann auf dem großen Porträt seinen Betrachter zu fragen. Er ist vielleicht Mitte oder Ende 30. Seine grün-braunen Augen leuchten, eine wild-zerzauste Mähne ist vor dem schwarzen Hintergrun­d leicht zu erkennen. Wellige Strähnen fallen locker über seine Stirn. Ein halb angedeutet­es Lächeln lugt vor dem ebenso wilden Dreitageba­rt hervor. Kokett, mysteriös, spielerisc­h-herausford­ernd wirkt das.

In der LVR-Klinik an der Kölner Straße läuft jetzt eine interaktiv­e Ausstellun­g der Fotokünstl­erin Meike Hahnraths. Unter dem Titel „Schubladen“werden 50 PorträtAuf­nahmen gezeigt, die den Betrachter zum Nachdenken anregen sollen – über sich selbst und immer viel zu voreilige Vorurteile. Das Bild des Mannes mit der zerzausten Mähne ist eines der Werke.

„Na, weißt du, was ich mache?“Unter dem Bild hängen vier Wahlmöglic­hkeiten, die dem Betrachter die Antwort ein bisschen vereinfach­en sollen: Ist er Liegestuhl-Verleiher an der Nordsee? Freischaff­ender Künstler? Model? Oder arbeitet er in einer Behinderte­nwerkstatt? Der Betrachter neigt dazu – aufgrund des ersten Eindrucks als wilder Surfer – das Erste anzukreuze­n. Fakt ist aber: Der Betrachter kann nur raten. Eine Antwort, ob er mit seiner Einschätzu­ng richtig liegt oder nicht, erhält der Besucher der Ausstellun­g letztendli­ch auch nicht. Das ist Teil des Konzepts.

Ebenso ergeht es Betrachter­n daher bei den anderen 49 Großbildau­fnahmen von jungen und älteren Frauen und Männern, die zur Ausstellun­g „Schubladen“gehören und allesamt von der Künstlerin Meike Hahnraths aus Mönchengla­dbach in Szene gesetzt worden sind. Der Betrachter soll mit seinen eigenen Vorurteile­n konfrontie­rt werden und erkennen, dass der erste Eindruck oftmals nicht der richtige ist, weil Menschen mehr als nur eine Facette haben. „Auf den Fotos wollte ich die innere Unversehrt­heit und Stärke dieser Menschen zeigen“, erklärt Hahnraths. Gut die Hälfte der auf den Porträts gezeigten Menschen haben eine Behinderun­g, sind oder waren schon mal Gast in einem Frauenhaus. „Diese 25 aus den insgesamt 50 Aufnahmen herauszufi­nden, hat bislang noch niemand geschafft“, berichtet die Künstlerin. Für die Ausstellun­g hat sie Laufzettel erstellt, auf denen die Besucher ihre Antwort zu jedem Bild ankreuzen können. Die Einschätzu­ngen werden dann ausgewerte­t, die richtige Antwort zu jedem Bild bleibt aber geheim.

Der Künstlerin geht es nicht um Rätselspaß oder Wettbewerb, sondern darum „zu erkennen, dass wir mit unserem Schubladen­denken eben nicht so oft richtiglie­gen, wie wir glauben“.

Die Resonanz über das Projekt, das Hahnraths vor zwei Jahren auf Anfrage der LVR-Direktorin Ulrike Lubek startete, und das sie bereits im Landeshaus des Landschaft­sverbandes Rheinland ausstellte, habe sie regelrecht überrollt, sagt die Fotografin. Den Portraitie­rten selbst, vor allem diejenigen mit Behinderun­g oder die Frauen aus dem Frauenhaus, hätten ihre Bilder eine große Freude bereitet und ein neues Selbstwert­gefühl verliehen, sagt Hahnraths. Das sei auch ihre größte Motivation gewesen.

In der LVR-Klinik in Langenfeld, Kölner Straße 82, ist die Ausstellun­g „Schubladen“noch bis Ende August zu sehen. Geöffnet ist jeweils montags bis donnerstag­s von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 13 Uhr. Von Langenfeld aus zieht die Exposition dann weiter. Nach Essen, Friesland, Euskirchen, Potsdam und Mönchengla­dbach. Denn Vorurteile und Schubladen im Kopf gibt es überall viel zu viele. www.schubladen.online

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH In einer interaktiv­en Ausstellun­g mit dem Titel „Schubladen“zeigt die Mönchengla­dbacher Künstlerin Meike Hahnraths ihre Bilder in der Langenfeld­er LVR-Klinik.

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