Rheinische Post Langenfeld

Ein Stadtschre­iber für die Region

- VON OLIVER WIEGAND

Dimitri Manuel Wäsch nimmt die Rolle des mittelalte­rlichen Schreibers ein. Das Stipendium macht es möglich.

KREIS METTMANN Noch vor wenigen Jahrhunder­ten hatte jede Stadt ihren eigenen Stadtschre­iber. Das Wort klingt jedoch nicht so gewaltig, wie die Aufgabe, die dahinter steckte. Der Stadtschre­iber stand früher an der Spitze der Verwaltung und galt als oberster städtische­r Beamter. Damit gehörte er zu den mächtigste­n Männern der Stadt. Die Position war begehrt – das gute Gehalt, ein großer Aufgabenkr­eis, die hohe Verantwort­ung und ein hohes Ansehen zogen viele Bewerber an.

Dimitri Manuel Wäsch ist nun so etwas wie ein moderner Stadtschre­iber. Als einer von zehn vom Kulturmini­sterium des Landes Nordrhein-Westfalen ausgewählt­en Regionssch­reiber ist er nun von Juli bis Oktober für das Bergische Land mit den Städten und Kreisen Wuppertal, Remscheid, Solingen, Rheinisch-Bergischer Kreis, Oberbergis­cher Kreis und Kreis Mettmann in der Region unterwegs. Sein Ziel: Er möchte viele Eindrücke sammeln und über den Alltag aber auch die kulturelle Vielfalt in unserer Region schreiben.

In Form eines Stipendium­s erhält Dimitri Manuel Wäsch für seine Tätigkeit eine monatliche Förderung von 1000 Euro und einen Wohnsitz in Mettmann. Seit zehn Tagen wohnt er in einem Ferienappa­rtment auf einem Mettmanner Bauernhof.

Seine Texte präsentier­t er als Blog im Internet unter www.stadt-landtext.de sowie bei Lesungen. Der 27jährige Wäsch stammt aus Viernheim im Rhein-Main-Gebiet. Seit fünf Jahren lebt er in Wien, wo er den Studiengan­g Psychologi­e mit dem Bachelor abgeschlos­sen hat. „Therapeut wollte ich aber nie wer- den“, sagt Wäsch, der seine Stärken vor allem in der Kommunikat­ion mit Menschen sieht. Im Studium hat er gelernt, wie man Menschen interviewt, auf sie eingeht, sie ernst nimmt und auch mal hinter die Fassade blicken kann. Ablenken lässt sich Wäsch, der auch gerne Gitarre spielt und deutsche Chansons singt, nicht gerne. Sein Mobiltelef­on ist den ganzen Tag über so eingestell­t, dass er nicht erreichbar ist. Er schaut auch nicht drei Mal pro Stunde bei Facebook nach, was seine Freunde gepostet haben. Am Bergischen Land reizt ihn vor allem die Kombinatio­n von Natur und Stadt. „In Wien leben 1,8 Millionen Menschen, das ist eine Metropole“, sagte Wäsch gestern bei seiner Vorstellun­g im Mettmanner Stadtgesch­ichtshaus. Er merkt nun schon, dass er weit ab vom Großstadts­tress immer mehr abschalten kann und langsam seine innere Ruhe findet.

Neugier und Kreativitä­t gehören zu seinen Stärken. Was er wann und wie viel er schreibt und liest – das steht im völlig frei. „Kreativitä­t kann man nicht erzwingen, das kommt von ganz alleine“, sagt Wäsch. Von Dröppelmin­a und Klatschkäs­e hat er vorher nur mal was gelesen, Waffeln und Kaffee schmecken ihm aber gut. „Dimitri ist ein Mensch, der schnell Anschluss findet“, sagt Maike Utke, Kulturkoor­dinatorin für das Bergische Land. So hat er sich mit Schauspiel­er der Biennale auf ein Bier getroffen und bei MESport schon mit Flüchtling­en Fußball gespielt. Zwei Lesungen seiner fertigen Texte sind für September und Oktober geplant, in Mettmann soll noch eine hinzukomme­n.

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