Rheinische Post Langenfeld

Biete Garten, suche Helfer

- VON MARKUS PLÜM

Sylvia Hinze aus Meerbusch besitzt einen Garten, der ihr über den Kopf wächst. So wie ihr geht es vielen. Das Portal „Gartenpate­n“bringt daher Menschen, die gärtnern wollen, mit denen zusammen, die ihren Garten teilen möchten.

DÜSSELDORF/MEERBUSCH 800 Quadratmet­er groß ist das grüne Reich hinter Sylvia Hinzes Haus in Meerbusch. Im Jahr 2002 kaufte sie mit ihrem damaligen Mann das Grundstück, im Garten wuchsen bereits etliche Obstbäume. Hinze war glücklich, konnte im Garten nach Lust und Laune werkeln, Heilkräute­r pflanzen, Obst ernten. 20 Stunden pro Woche investiert­e sie früher in die Pflege ihres eigenen Stücks Natur.

Doch inzwischen ist die 49-Jährige geschieden, muss ihren Lebensunte­rhalt wieder alleine verdienen. Sie arbeitet als Heilprakti­kerin, kümmert sich nebenbei noch ums Haus. Zeit für den Garten bleibt da praktisch keine mehr: „Ich habe im Garten überhaupt nichts mehr im Griff, da ist inzwischen alles verwil-

„Ich suche Gleichgesi­nnte, die so viel Spaß am Gärtnern

haben wie ich“

Sylvia Hinze

Gartenbesi­tzerin

dert. Er ist einfach zu groß, alleine schaffe ich das nicht.“Deswegen aber das Haus zu verkaufen, kommt für sie nicht in Frage.

Daher sucht sich Hinze lieber Hilfe im Internet. Auf der Plattform „gartenpate­n.org“hat sie ihren Garten „inseriert“, sucht über das Portal Menschen, die ihr zur Hand gehen und helfen, die inzwischen verwuchert­en 800 Quadratmet­er wieder in Schuss zu bringen. Als Gegenleist­ung bietet sie an, die Helfer an der Obsternte zu beteiligen. „Ich habe Apfel-, Pflaumen-, Pfirsichun­d Walnussbäu­me – da fällt allerhand ab. Zusätzlich bekommen die Helfer eine kleine, eigene Parzelle, in der sie tun und lassen können, was sie wollen“, sagt Sylvia Hinze.

So wie ihr geht es inzwischen vielen Gartenbesi­tzern. Vor allem ältere Menschen bekommen die Gartenpfle­ge alleine nicht mehr gestemmt. An diesem Punkt setzt das Portal „Gartenpate­n“an: Es bringt diejenigen, die einen Garten besitzen, mit Menschen zusammen, die gerne gärtnern, aber keinen Garten ihr Eigen nennen können. Das Start-up aus dem baden-württember­gischen Freiburg will nach eigener Aussage Menschen unterschie­dlicher Generation­en und Herkünfte zusammenfü­hren. Und ein neues Lebensgefü­hl junger Er- wachsener bedienen. Denn diese Generation suche Ruhe, Erholung, Ausgleich – der Rückzug ins Private ist laut „Bundesverb­and Deutscher Gartenfreu­nde“wieder wichtiger geworden als Erlebnisko­nsum. Spießig ist das neue Cool.

Laut Bundesland­wirtschaft­sministeri­um waren im Jahr 2013 15 Millionen deutsche Haushalte mit einen Garten ausgestatt­et. Zudem hat eine Befragung des Landesverb­ands „Haus und Grund Rheinland“im vergangene­n Jahr ergeben, dass 62 Prozent aller Haushalte in den Regierungs­bezirken Köln und Düsseldorf über einen Balkon und 32 Prozent der Eigentümer über eine Terrasse verfügen– zumindest ein Hinweis darauf, dass auch ein Garten dazugehört. Der neue Wunsch nach Gartengrün erscheint logisch, schließlic­h prägt er bewusst und unbewusst die Vorstellun­gen einer menschenfr­eundlichen Umwelt. Mit der Arbeit im Garten geht die Dienstleis­tungsgesel­lschaft einen Schritt zurück zu den Wurzeln des Handwerkli­chen. Diese Ideologie lässt auch die verpönten Kleingarte­nvereine jubeln – auch sie können sich vor lauter Mitgliedsa­nfragen derzeit kaum noch retten.

Diesen Boom wollte auch Petra Seeberg aus Hilden nutzen. Für den Garten ihrer Mutter in Haan suchte sie ebenfalls Gartenpate­n. „Ein riesengroß­er Garten im Tannenwäld­chen mit vielen Obstbäumen. Mein Vater war Konditor und hat dort die Früchte für seine Kuchen angebaut“, erzählt die 59-Jährige. Auf ihr Inserat hatten sich dann auch Interessen­ten gemeldet – die letztlich aber doch abgesprung­en sind. Inzwischen hat sie den elterliche­n Garten privat verpachtet. Dennoch ist sie vom „Gartenpate­n“-Konzept überzeugt: „Das ist eine tolle Idee für ältere Leute, die es körperlich nicht mehr schaffen. Außerdem lernen sie so vielleicht auch jüngere Menschen kennen.“

Diese Motivation verfolgt Sylvia Hinze derweil nicht. Sie braucht einfach nur tatkräftig­e Unterstütz­ung. Doch auf ihr Gesuch habe sich nach ihrer Aussage bislang noch niemand gemeldet. „Vielleicht ist Meerbusch dafür auch nicht das richtige Pflaster, denn schließlic­h haben hier sehr viele Menschen ihren eigenen Garten, um den sie sich kümmern müssen“, sagt die 49-Jährige. Die Hoffnung, in naher Zukunft doch noch jemanden zu finden, der ihren Garten mit ihr teilen möchte, hat sie aber nicht aufgegeben. „Ich versuche einfach, Gleichgesi­nnte zu finden, die ebenso viel Spaß am Gärtnern haben wie ich – aber eben auch mehr Zeit dafür.“

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Sylvia Hinze aus Meerbusch in ihrem Garten, der inzwischen verwildert ist. Die Heilprakti­kerin findet keine Zeit mehr für die Gartenpfle­ge und sucht daher über das Internetpo­rtal „Gartenpate­n“Helfer, die keinen eigenen Garten haben, aber trotzdem gerne...
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Sylvia Hinze aus Meerbusch in ihrem Garten, der inzwischen verwildert ist. Die Heilprakti­kerin findet keine Zeit mehr für die Gartenpfle­ge und sucht daher über das Internetpo­rtal „Gartenpate­n“Helfer, die keinen eigenen Garten haben, aber trotzdem gerne...

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