Tinker sind zurück am Niederrhein
Die irischen Landarbeiter, die Tinker genannt werden, haben ihre Zelte in Kevelaer aufgeschlagen: Mehrere Paare wollten dort heiraten. Leicht bekleidete Mädchen aus der Gruppe zogen alkoholisiert durch die Stadt.
KEVELAER Kevelaer ist eine Wallfahrtsstadt. Doch auf diese „Pilger“würde die Kommune gerne verzichten. Regelmäßig im August fallen große Gruppen von irischen Wanderarbeitern in der Region ein. Tinker wird das fahrende Volk genannt, das mit teuren Wagen und großen Wohnanhängern auch jetzt wieder einen Parkplatz in der Stadt okkupiert hat.
Das Auftauchen der Gruppe kam völlig unvermittelt. Die Stadtverwaltung hatte sich kurz zuvor noch vorausschauend bei der Polizei er-
Das Problem ist vor allem, dass in den Gruppen der Reisenden kein Verantwortlicher zu
greifen ist.
kundigt, ob Tinker in der Region unterwegs seien. Die Behörde hatte keinerlei Hinweise darauf – und einen Tag später waren die Iren schon da.
Diesmal sind so viele wie selten gekommen: 90 Wohnwagen-Gespanne haben den Parkplatz am Hallenbad in einen riesigen illegalen Mobilstellplatz verwandelt. Die Stadt kann dem Treiben nur mehr oder weniger hilflos zusehen. Große Handhabe hat sie nicht. Wenn Caravans länger als 24 Stunden auf so einem Parkplatz stehen, ist das nur eine Ordnungswidrigkeit. Und ob Bußgeldbescheide je bezahlt werden, ist offen.
Das Problem ist vor allem, dass in den Gruppen der Reisenden kein Verantwortlicher zu greifen ist. Das bekommt auch derzeit in Kevelaer jeder zu spüren, der den zum Lager umfunktionierten Parkplatz besucht und versucht, mit den Männern und Frauen ins Gespräch zu kommen. Am besten keine Fotos, heißt es. Richtig etwas sagen will kaum jemand. Einer, der etwas er- zählt, ist ein älterer Mann, der sich „Hatchet“nennt – das heißt auf Deutsch „Axt“. Er sei katholisch und gläubig, so wie alle in seiner Gemeinschaft, die übrigens auch alle irgendwie miteinander verwandt seien. Deshalb seien sie nach Kevelaer gekommen, das sei ein heiliger Platz. Und darum wollten einige Paare auch in Kevelaer heiraten.
Tatsächlich hat der Kevelaerer Kaplan Christoph Scherhoff am vergangenen Donnerstag Jane und Patrick getraut. An zwei weiteren Terminen allerdings sollte er vergeblich auf die angekündigten Brautpaare warten: Sie tauchten nicht auf. Von besonders heiliger Stimmung soll auch am Donnerstag nicht viel zu spüren gewesen sein. „Es war sehr lebhaft“, sagt der Kaplan.
Lebhaft geht es derzeit auch in der Innenstadt zu. Junge Männer chauffieren ihre Mädchen mit lauter Musik und quietschenden Reifen durch die City. Viel Alkohol ist im Spiel. Anwohner sind genervt, beklagen sich über gefährliche Fahrmanöver. Die Polizei berichtet von Ruhestörungen.
Der Mann, der sich „Hatchet“nennt, versichert, dass man sich an die Abmachung mit der Stadt halten werde, am heutigen Montag den Parkplatz zu räumen. Am 15. August will seine Gruppe wiederkommen. Dann ist Mariä Himmelfahrt, ein hoher Feiertag für die Iren.
Wie er sein Geld verdiene? Er habe ein Business (Geschäft), sagt „Hatchet“. Genauer will er nicht werden. Schlecht zu verdienen scheinen die Reisenden jedenfalls nicht, denn tiefergelegte Oberklassewagen prägen das Bild ihres Lagers. Bekannt ist, dass die Tinker Teer- und Dachdeckerarbeiten anbieten. Einer wirbt dafür gut sichtbar auf seinem Wagen; dass dieser fotografiert wird, will er aber nicht.
Ohnehin ist die Stimmung gereizt. Man solle sofort den Platz verlassen, man habe hier nichts zu suchen, ruft ein junger Mann drohend. Kuriose Forderung. Das Ordnungsamt würde den Tinkern sicher gerne dasselbe zurufen.