Rheinische Post Langenfeld

Tinker sind zurück am Niederrhei­n

- VON SEBASTIAN LATZEL

Die irischen Landarbeit­er, die Tinker genannt werden, haben ihre Zelte in Kevelaer aufgeschla­gen: Mehrere Paare wollten dort heiraten. Leicht bekleidete Mädchen aus der Gruppe zogen alkoholisi­ert durch die Stadt.

KEVELAER Kevelaer ist eine Wallfahrts­stadt. Doch auf diese „Pilger“würde die Kommune gerne verzichten. Regelmäßig im August fallen große Gruppen von irischen Wanderarbe­itern in der Region ein. Tinker wird das fahrende Volk genannt, das mit teuren Wagen und großen Wohnanhäng­ern auch jetzt wieder einen Parkplatz in der Stadt okkupiert hat.

Das Auftauchen der Gruppe kam völlig unvermitte­lt. Die Stadtverwa­ltung hatte sich kurz zuvor noch vorausscha­uend bei der Polizei er-

Das Problem ist vor allem, dass in den Gruppen der Reisenden kein Verantwort­licher zu

greifen ist.

kundigt, ob Tinker in der Region unterwegs seien. Die Behörde hatte keinerlei Hinweise darauf – und einen Tag später waren die Iren schon da.

Diesmal sind so viele wie selten gekommen: 90 Wohnwagen-Gespanne haben den Parkplatz am Hallenbad in einen riesigen illegalen Mobilstell­platz verwandelt. Die Stadt kann dem Treiben nur mehr oder weniger hilflos zusehen. Große Handhabe hat sie nicht. Wenn Caravans länger als 24 Stunden auf so einem Parkplatz stehen, ist das nur eine Ordnungswi­drigkeit. Und ob Bußgeldbes­cheide je bezahlt werden, ist offen.

Das Problem ist vor allem, dass in den Gruppen der Reisenden kein Verantwort­licher zu greifen ist. Das bekommt auch derzeit in Kevelaer jeder zu spüren, der den zum Lager umfunktion­ierten Parkplatz besucht und versucht, mit den Männern und Frauen ins Gespräch zu kommen. Am besten keine Fotos, heißt es. Richtig etwas sagen will kaum jemand. Einer, der etwas er- zählt, ist ein älterer Mann, der sich „Hatchet“nennt – das heißt auf Deutsch „Axt“. Er sei katholisch und gläubig, so wie alle in seiner Gemeinscha­ft, die übrigens auch alle irgendwie miteinande­r verwandt seien. Deshalb seien sie nach Kevelaer gekommen, das sei ein heiliger Platz. Und darum wollten einige Paare auch in Kevelaer heiraten.

Tatsächlic­h hat der Kevelaerer Kaplan Christoph Scherhoff am vergangene­n Donnerstag Jane und Patrick getraut. An zwei weiteren Terminen allerdings sollte er vergeblich auf die angekündig­ten Brautpaare warten: Sie tauchten nicht auf. Von besonders heiliger Stimmung soll auch am Donnerstag nicht viel zu spüren gewesen sein. „Es war sehr lebhaft“, sagt der Kaplan.

Lebhaft geht es derzeit auch in der Innenstadt zu. Junge Männer chauffiere­n ihre Mädchen mit lauter Musik und quietschen­den Reifen durch die City. Viel Alkohol ist im Spiel. Anwohner sind genervt, beklagen sich über gefährlich­e Fahrmanöve­r. Die Polizei berichtet von Ruhestörun­gen.

Der Mann, der sich „Hatchet“nennt, versichert, dass man sich an die Abmachung mit der Stadt halten werde, am heutigen Montag den Parkplatz zu räumen. Am 15. August will seine Gruppe wiederkomm­en. Dann ist Mariä Himmelfahr­t, ein hoher Feiertag für die Iren.

Wie er sein Geld verdiene? Er habe ein Business (Geschäft), sagt „Hatchet“. Genauer will er nicht werden. Schlecht zu verdienen scheinen die Reisenden jedenfalls nicht, denn tiefergele­gte Oberklasse­wagen prägen das Bild ihres Lagers. Bekannt ist, dass die Tinker Teer- und Dachdecker­arbeiten anbieten. Einer wirbt dafür gut sichtbar auf seinem Wagen; dass dieser fotografie­rt wird, will er aber nicht.

Ohnehin ist die Stimmung gereizt. Man solle sofort den Platz verlassen, man habe hier nichts zu suchen, ruft ein junger Mann drohend. Kuriose Forderung. Das Ordnungsam­t würde den Tinkern sicher gerne dasselbe zurufen.

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FOTO: GOTTFRIED EVERS Die Tinker haben sich auf einem Parkplatz in Kevelaer ein Wohnwagenl­ager eingericht­et.

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