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lang die gleichen Leute auf das gleiche Festival gehen.“Er räumt ein, dass Festivals wie das niederländische Best Kept Secret – Headliner dieses Jahr: Radiohead und Arcade Fire – mittlerweile mehr für das Geld bieten. „Wir werden uns aber nie am Best Kept Secret orientieren“, sagt Reichmann. Auch auf die Einführung von günstigeren Tagestickets werde man verzichten. „Die Leute sollen für ein ganzes Festival kommen.“
Man kann das Arroganz nennen. Man kann darin aber auch die Souveränität eines Festivalmachers entdecken, der sich von den Mechanismen der Musikindustrie nicht mehr irritieren lassen will. Im 34. Jahr des Bestehens war das Haldern Pop auch in diesem Jahr schon wieder so gut wie ausverkauft, bevor das LineUp überhaupt feststand.
Diese Treue des Publikums ist etwas Besonderes in einer Zeit, in der die Festivallandschaft eine eigene Industrie geworden ist. Unternehmen wie FK Scorpio haben gleich mehrere Festivals im Portfolio und können einen Künstler dann für mehrere Auftritte buchen – so wird es im Paket günstiger.
Die Haldern-Pop-Macher reagieren im Kleinen auch auf diesen Trend. Sie haben in Südtirol das Kaltern-Pop-Festival gegründet. Dort treten Künstler auf, die auch im Haldern-Kontext zu sehen sind. Ein „Experimentierfeld“nennt Reichmann das italienische Festival, das in diesem Jahr vom 26. bis 28. Oktober läuft. Vom Niederrhein aus fahren Fanbusse runter, ganze Halderner Familien – Eltern mit Kindern – sitzen drin. Dass Haldern und Kaltern gemeinsame Sache machen, ist aber im Grunde mehr als nur Kalkül; es ist auch so ein Ministrantending: Die ersten Jugendfahrten der Halderner Gemeinde St. Georg führten nach Südtirol.
In der Bereitschaft, sich auf neue Stile einzulassen, ist das Publikum in Haldern ungeschlagen. Die Klassik hat das Festival für sich entdeckt: in diesem Jahr mit dem niederländischen Pianisten Joep Beving. Den HipHop hört man in Haldern: in diesem Jahr unter anderem bei Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi. Den Soul haben die Halderner beständig im Programm: 2017 mit The James Hunter Six. Neuerdings sind mehr Jazzkünstler zu hören. All die Artisten sieht man nicht nur auf der Hauptbühne – auch die Dorfkirche St. Georg wurde zum Festivalspielort mit freiem Eintritt, um das ganze Dorf für den Wahnsinn zu begeistern.
Reichmanns Wünsche für die Zukunft: „Einmal eine Oper auf die Bühne bringen, das fände ich super.“Zuletzt sah er im Urlaub einen italienischen Schlagersänger, der das Publikum für sich einnahm. Warum solle so einer nicht mal in Haldern auftreten? Reichmann will auf Genreversessenheit verzichten. Dieses Ansinnen spiegelt sich im Programm: 68 Bands oder Soloartisten treten auf. Wieder sind einige darunter, denen man eine große Karriere zu prophezeien geneigt ist. Reichmann nennt Mavi Phoenix, ein Popsternchen aus Österreich, und die australische Band Parcels. Aber auch vom Briten Matt Maltese, der am Piano in der Dorfkirche auftritt, wird man manches erwarten können. Der britische Rapkünstler Loyle Carner zeigt sich auf seinem Debütalbum „Yesterday’s gone“als ein großes Talent. Und die Songwriterin Aldous Harding betört auf ihrem Album „Party“mit wundervoller Folkmusik.
All diese unbekannten Künstler, mögliche Stars von morgen, rekrutieren die Festivalmacher bei unzähligen Live-Konzerten und durch Kontakte in die Branche. Ihre Verbindung zur Musiklandschaft intensivieren die Festivalmacher in Haldern auch, indem sie Akteure der Musikindustrie zum HaldernWochenende einladen. In diesem Jahr kommt Keith Harris, Manager der Soullegende Stevie Wonder, ins Dorf. Ein Netzwerktreffen ist auch das alljährliche Eurosonic-Festival in Groningen. Dort trifft sich alljährlich im Winter die Branche und alle versuchen, den neuen heißen Kram früh zu buchen. Reichmann sagt: „Groningen ist die Schnittstelle, wo die Bands teuer werden. Da muss man schnell sein.“Zunehmend geht er dazu über, die Bands schon vorher zu verpflichten. Die hauseigene Haldern-Pop-Bar, in der ganzjährig Künstler auftreten, ist mittlerweile ein kleiner Talentschuppen. Hier spielen Bands auf der Durchreise zwischen den Konzerten in Köln und Amsterdam. Sie treten auf, und beweisen sich mitunter für das Festival.
In diesem Sinne ist das Haldern Pop vielleicht der SC Freiburg der deutschen Festivallandschaft. Ob das nun erst- oder zweitklassig ist, mag eine für den Insider spannende Bewertungskategorie sein. Die treuen Fans kommen ungeachtet der Klassenzugehörigkeit. Sie hoffen auf eine popmusikalische Entdeckung. Manchmal, so viel Festivalehrlichkeit muss sein, hoffen sie aber auch nur auf das nächste Bier. Da ist Haldern eben doch nicht anders als all die anderen Festivals dieses Sommers.