KULTURTIPPS
Das Leben des Bildhauers Giacometti
Film Ein Journalist freundet sich mit einem berühmten Künstler an. Der lädt ihn ein, Modell zu sitzen. Natürlich ist das schmeichelhaft. Und natürlich wittert der Journalist die Chance, dem Künstler nun noch näher zu kommen. Doch fürJames Lord wurde diese Chance zu einer Tortur. Unzählige Tage hat er Mitte der 1960er Jahre in Paris für den Schweizer Bildhauer Alberto Giacometti still gesessen, hat unzählige Porträts entstehen sehen, vor allem aber miterlebt, wie ihr Schöpfer sie wieder vernichtete. Giacometti war nicht nur einer der größten Bildhauer des Jahrhunderts und darum natürlich ein Perfektionist. Er war auch ein manischer Selbstzweifler, einer, der sich selbst nur ertragen konnte, wenn er verwarf, wenn er zerstörte, was gerade geworden war. Das ist ja vielleicht das eigentliche Geheimnis der Kunst: die Frage ihrer Vollendung. Wann ist ein Versuch Werk geworden? Und wann bloß eine Behauptung? Mit solchen Fragen be- Klassik Wer sich die Neuaufnahme der sechs Streichquartette von Béla Bartók mit dem großartigen Heath Quartet besorgt, wird beim Betrachten des Covers in tiefes Nachdenken fallen – oder sich überhaupt nichts dabei denken. Die Wahrheit ist diese: Wir sehen allerdings ein Fake aus der hohen Welt der Malerei. Von Kasimir Malewitsch, den wegweisenden Maler, gibt es ein recht bekanntes Gemälde mit dem unauffälligen Titel „Landschaft mit fünf Häusern“. Für die Titeloptik hat der Grafiker das Original bearbeitet und einfach das fünfte Häuschen rechts wegretuschiert. Durften die das?
Unsere Sorge ist das nicht, die Idee ist ja witzig. Das Bild gilt als Kernwerk des Suprematismus, den Malewitsch in der Kunst installierte. Doch ohne Augen und ohne Fenster sind die vier Musiker des Ensembles nicht, im Gegenteil. Wir erleben ein ungemein waches, hellsichtiges, tiefenscharfes und bohrendes Musizieren. Die vier Musiker Oliver Heath und Cerys Jones (Violinen), Gary Pomeroy (Viola) und Christopher Murray (Violoncello) machen sich die Arbeit schwer, sie gehen nicht den einfachen Weg, sondern begeben sich in die Welt der interpretatorischen Verstrickungen.
Es ist ja auch nicht etwa irgendein schäftigt sich der Giacometti-Film „Final Portrait“, der gerade in die Kinos gekommen ist, auf höchst vergnügliche Weise. Der Film von Stanley Tucci basiert auf der großen Giacometti-Biographie, die James Lord verfasst hat. Doch bewegt sich die Kamera kaum aus dem Atelier heraus, bleibt ganz beim Künstler und den Menschen, die um ihn kreisen. Das bleibt spannend, weil der australische Schauspieler Geoffrey Rush sich mit Inbrunst in diese Rolle wirft, den Egozentriker gibt, der an den eigenen Ansprüchen fast zu Grunde geht. Für seine Darstellung eines hochtalentierten Pianisten in „Shine“hat Rush vor ein paar Jahren einen Oscar bekommen. Selbst in den Szenen, in denen er Klavier spielen musste, ließ er sich nicht doubeln. Auch als Giacometti ist er tief in die Welt eines bildenden Künstlers eingetaucht, spielt glaubhaft ein Genie, das den Höhepunkt seiner Schaffenskraft bereits überschritten hat, dessen Werke hochgehandelt werden, dessen innere Zweifel aber weiter nagen. Manchmal wird es in diesem Film ein wenig viel mit der Exzentrik, vor allem, wenn Giacomettis Geliebte auftaucht, durch das Atelier wirbelt und allein durch ihre Anwesenheit dessen Ehefrau demütigt. Dennoch ist „Final Portrait“ein hinreißender Atelierfilm, der sich auf einen kurzen Zeitraum, einen engen Ort konzentriert und doch weit in die Biografie des Künstlers ausgreift.
Dorothee Krings
Grandios: Béla Bartóks Streichquartette
Zyklus der modernen Musik, sondern ein Monument der Kammermusik, wie es im 20. Jahrhundert kaum ein zweites gegeben hat. Diese sechs Werke begeben sich in Extrempositionen des Ausdrucks, der Spielmöglichkeiten, der Ästhetik. Sie umspannen einen Zeitraum von knapp dreißig Jahren, beginnend mit Bartóks früher Beschäftigung mit der Musik von Richard Wagner und Claude Debussy; auch Schönbergs „Verklärte Nacht“schimmert durch. Die späteren Werke (bis hin zum Quartett Nr. 6 aus dem Jahr 1941) werden radikaler, auch freier in der Form, es gibt Ausflüge in die schroffe Sprache des Expressionismus. Es gibt neue Sprachlichkeiten, Zonen des Wisperns und Flüstern, dann aber auch schrundige Abgründe und schroffe Kanten. Spieltechnisch wird den Musikern Höchstes abverlangt – und umso mehr muss man die Aufnahme des Heath Quartets bestaunen, die sich ohne Probleme in allerbeste Quartett-Gesellschaft begibt. Wolfram Goertz