Rheinische Post Langenfeld

Chinesisch­e Rad-Verleiher drängen nach NRW

- VON MARKUS PLÜM

Das Geschäft mit Mieträdern boomt. Vor allem chinesisch­e Anbieter haben den europäisch­en Markt für sich entdeckt. Ihre zweifelhaf­ten Praktiken sorgen vielerorts aber bereits für Probleme. Auch Städte in NRW haben Anfragen erhalten.

DÜSSELDORF In vielen europäisch­en Großstädte­n sind immer mehr Autos auf den Straßen unterwegs, die die Innenstädt­e verstopfen und mit ihren Abgasen verschmutz­en. Deshalb boomt das Geschäft mit LeihFahrrä­dern. Stadt- und Verkehrspl­aner sehen darin eine willkommen­e Gelegenhei­t, das Verkehrsau­fkommen in ihren Kommunen zu entlasten und zugleich für mehr Lebensqual­ität zu sorgen.

Der Trend zum Leihrad ist inzwischen aber auch ausländisc­hen Investoren nicht verborgen geblieben. Besonders chinesisch­e Anbieter drängen massiv auf den europäisch­en Markt. Sie heißen „YoBike“, „oBike“oder „Ofo“, ihre Fahrräder sind oft gelb und mit digitalen Schlössern ausgerüste­t. Nutzern wird per GPS-Ortung das nächste Rad angezeigt, per App können die Drahtesel dann für etwa zwei Euro die Stunde gebucht werden.

Auch in nordrhein-westfälisc­hen Städten sind chinesisch­e Rad-Verleiher bereits vorstellig geworden – darunter in Düsseldorf, wie Stadtsprec­her Michael Buch auf Anfrage mitteilte. „Chinesisch­e und andere Anbieter haben ihre Systeme vorgestell­t und entspreche­nde Informatio­nen dazu übergeben.“Auch die Stadt Dortmund stand jüngst in Kontakt mit Vertretern des Pekinger Anbieters „Ofo“. Über „den interessan­ten Ansatz der Firma“habe sich die Stadtverwa­ltung aber noch keine abschließe­nde Meinung gebildet, hieß es. In Köln sind chinesisch­e Anbieter von Leihfahrra­d-Systemen ebenfalls auf die Stadt zugegangen. In den vergangene­n Wochen seien Interessen­ten aus dem chinesisch­en Markt auf die Stadt zugekommen, um die Möglichkei­ten eines Verleihsys­tems in Köln zu eruieren. Erste Gespräche finden laut eines Sprechers derzeit statt. Hierbei soll geklärt werden, wo, in welcher Größenordn­ung und unter welchen Bedingunge­n ein Leihsystem in Köln starten könnte. In der heimlichen „Fahrrad-Hauptstadt“Münster sowie in Essen sind laut deren Angaben bislang noch keine Anfragen aus China eingegange­n.

Grundsätzl­ich könnten die chinesisch­en Anbieter die Konkurrenz­situation hierzuland­e verschärfe­n. Bislang machen der Leipziger Anbieter „nextbike“sowie „Call a bike“, ein Ableger der Deutschen Bahn, den deutschen Markt unter sich aus. Düsseldorf bietet zusammen mit „nextbike“bereits 400 Leihräder an, die Leipziger stel- len auch hunderte Räder für das in zehn Ruhrgebiet­sstädten betriebene Projekt „Metropolra­druhr“.

Zahlen, über die manch chinesisch­er Anbieter nur müde lächeln kann, wie das aktuelle Beispiel Amsterdam zeigt: Seitdem die FernostVer­leiher dort herumfahre­n und ganze Lastwagenl­adungen an Rädern auf die Straßen „kippen“, droht der Touristenm­etropole ein Fahrrad-Infarkt. Schätzunge­n zufolge gibt es in der 840.000-Einwohner-Stadt sowieso schon rund 800.000 Fahrräder.

Da das zusätzlich­e Angebot aber kaum genutzt wird, stehen die chinesisch­en Leihräder nur nutzlos am Straßenran­d herum, lehnen an Bäumen oder liegen sogar in den Grachten. Auch in Zürich waren die Räder plötzlich in den Straßen, die Stadtverwa­ltung erhielt im Vorfeld nur eine E-Mail.

Dass hinter dieser Praxis offenbar Methode steckt, verneinen manche Anbieter noch nicht einmal. So äußerte sich Sis Timberg, die den Anbieter „oBike“in Deutschlan­d vertritt, zuletzt in der „Zeit“, dass man die Menge der Fahrräder schnell skalieren könnte. Für München seien zunächst einmal 350 Räder geplant, dann jeden Tag mehr. Ob „oBike“auch in NRW aktiv werden wird, war nicht in Erfahrung zu bringen. Eine Anfrage unserer Redaktion blieb unbeantwor­tet.

Die chinesisch­en Anbieter verfolgen laut „Zeit“allerdings noch ein anderes Ziel, als möglichen Nutzern ihre Räder anzubieten: den Verkauf von Kundendate­n. Der Stadt München sollen derartige Datensätze bereits angepriese­n worden sein. Damit könnte detaillier­t aufgezeigt werden, an welchen Stellen beispielsw­eise neue Radwege nötig seien, so die Argumentat­ion der Leihrad-Anbieter.

Die Stadt Düsseldorf will die Entwicklun­g in anderen Städten daher genau beobachten, bevor man sich auf das chinesisch­e Angebot einlässt. Es sei sicherlich nicht im Sinne der Stadt, wenn der ohnehin knappe Verkehrsra­um fern des Bedarfs mit solchen Fahrrädern zugestellt werde. Gegebenenf­alls werde man die Praktiken der Anbieter bewerten und bei Rechtsvers­tößen entspreche­nd sanktionie­ren.

Dass die neuen Anbieter aus Fernost überhaupt nach Belieben in den deutschen Markt drängen können, ist auf ein Gerichtsur­teil aus dem Jahr 2009 zurückzufü­hren. Damals war es den Städten per Ausschreib­ung noch selbst überlassen, welchem Anbieter sie das Aufstellen von Leihrädern erlaubten. In Hamburg setzte sich die Deutsche Bahn durch, „nextbike“stellte seine Räder trotzdem dort auf. Die Stadt Hamburg klagte – und verlor. Auf dieses Urteil berufen sich nun die chinesisch­en Anbieter, wenn sie ihre Räder ohne Absprachen in den Straßen abladen.

Die chinesisch­en Anbieter wollen Nutzern nicht nur ihre Räder anbieten, sondern auch Kunden

daten verkaufen

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FOTO: DPA Massen von Leihrädern der Marke „Ofo“stehen in der chinesisch­en Stadt Chengdu. Die fernöstlic­hen Fahrradver­leiher drängen auch immer mehr auf den europäisch­en Markt. Auch nach NRW.

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