Rheinische Post Langenfeld

Wie Air Berlin zerschlage­n wird

- VON TORSTEN BREITKOPF, FRANZISKA HEIN UND REINHARD KOWALEWSKY,

Lufthansa will so viele Strecken übernehmen wie möglich, weitere Strecken gehen wohl an Easyjet – und eine neue Ferienflug­firma zeichnet sich ab. Die Belegschaf­t ist derweil verunsiche­rt – und bei Eurowings droht ein Streik.

DÜSSELDORF Wird es eine Zukunft für große Teile von Air Berlin geben? Wer das glaubt, kann Geld sparen: Gestern verkaufte die Airline trotz angemeldet­er Insolvenz weiter Tickets für Mitte Dezember. Der Preis nach Miami? Knapp 500 Euro hin und zurück.„Falls Lufthansa wirklich einsteigt“, sagt ein Insider bei Air Berlin, „ist das doch ein interessan­tes Angebot, weil der Flugbetrie­b dann wirklich weitergeht.“

Rund drei Monate soll der am Dienstag verkündete 150 Millionen Euro hohe Überbrücku­ngskredit der staatliche­n Förderbank Kfw für Air Berlin reichen, um eine neue Zukunft zu organisier­en – das wäre bis zum 15. November. Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann glaubt, die meisten der rund 8500 Arbeitsplä­tze halten zu können: „Ich glaube, trotz Insolvenz mein Ziel zu erreichen und einen Großteil der Jobs zu sichern. Das kriegen wir hin.“Dabei hilft auch, dass der Konzern vorläufig fast keine Personalko­sten hat – die Mitarbeite­r erhalten ihren Lohn ( bis zu 6350 Euro im Monat) von der Bundesagen­tur für Arbeit.

Der Konzern soll zerschlage­n werden. Den Großteil der Flüge, Jets und Crews wollen die Lufthansa und ihr Discount-Ableger Eurowings übernehmen. Schon seit Monaten fliegen 38 der rund 150 Maschinen von Air Berlin für Eurowings und Lufthansa.

Konzernche­f Winkelmann hat vorsondier­t, dass die britische Easyjet eine Reihe an Strecken übernehmen könnte, um zu erwartende­n Auflagen der Kartellbeh­örden zuvorzukom­men. „Jeder weiss, dass die Kartellbeh­örden Eurowings oder Lufthansa untersagen würden, alle Strecken zu übernehmen, weil es oft zu Monopolen käme“,sagt dazu der Hamburger Airline-Experte Gerald Wissel, „also ist es klug von Air Berlin, einen Teil des Netzes selbst an einen Wettbewerb­er zu verkaufen.“

Als dritter Schritt zeichnet sich eine Neuordnung bei den Ferienflie­gern ab. Schon vor Monaten hat Air Berlin die Strecken nach Mallorca, Griechenla­nd oder Malaga an den Ableger Niki abgegeben, damit dieser mit Tuifly ein Joint-Venture gründet. Jetzt könnte das Projekt er- neut starten. Sowohl Tui als auch Thomas Cook bekundeten gestern Interesse, bei Gesprächen zur Zukunft von Air Berlin mitzumisch­en.

Was bedeutet das alles für die Belegschaf­t? Bei Lufthansa heißt es, zwar sollten möglichst große Teile von Air Berlin übernommen wer- den, aber für wechselnde Mitarbeite­r sollten dann weniger günstige Verträge von Eurowings gelten.

Wegen drohenden Lohndrucks droht nun ausgerechn­et bei Eurowings ein Streik. Die unabhängig­e Gewerkscha­ft der Flugbeglei­ter (Ufo) ließ gestern Verhandlun­gen ausdrückli­ch mit der Begründung scheitern, Eurowings wolle ja Teile von Air Berlin billig schlucken. „Mit dieser neuen Situation sind flächendec­kende Arbeitskäm­pfe zu erwarten“, kündigte die Gewerkscha­ft an.

Die Belegschaf­t von Air Berlin ist verunsiche­rt. „Die Stimmung ist sehr schlecht“, sagt Werner Kiepe, Gewerkscha­ftssekretä­r bei Verdi. „Viele haben nicht mit der Insolvenz gerechnet, auch wenn es dem Unternehme­n schon lange schlecht ging.“Auch die Piloten machen sich Sorgen, so Markus Wahl, Sprecher der Vereinigun­g Cockpit (VC): „Manche sind Alleinverd­iener und müssen ihre Familie ernähren. Sie machen sich Gedanken, ob sie die Stadt wechseln müssen, wenn es Air Berlin nicht mehr gibt.“Ganz mies sieht es in der Air-Berlin-Zentrale aus, weil die Wettbewerb­er nur den Flugbetrie­b übernehmen wollen – bei Marketing, Werbung oder Streckenpl­anung drohen Kündigunge­n.

2900 Mitarbeite­r hat Air Berlin in Düsseldorf – viele arbeiten in der Technik. Denen wurde gestern in einer Versammlun­g Mut gemacht: Techniker zum Flugzeugwa­rten am schnell wachsenden Airport würden dauerhaft gebraucht, erklärten Berater des Generalbev­ollmächtig­ten Frank Kebekus. Der Betriebsra­tschef der Technik, Jörg Herling, sagte unserer Redaktion: „Auch andere Airlines als Air Berlin müssen ihre Jets ja warten lassen.“

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