Rheinische Post Langenfeld

Auf den Spuren eines alten Handwerks

- VON PHILIP GERCER

Im Kotten erleben Besucher Geschichte und lernen die Arbeit eines Heft- und Schalensch­neiders kennen.

LANGENFELD Die Führung durch den Langenfeld­er Schalensch­neiderkott­en lockt wieder einmal einige sehr interessie­rte Besucher an. Empfangen werden sie von Dr. Helmut Endres. Der 69-jährige DiplomChem­iker ist als ehrenamtli­cher Helfer beim Fördervere­in Stadtmuseu­m Langenfeld tätig. Gemeinsam mit Wolfgang Jumpertz und Edgar Zimmermann bildet er das Team, das die Führungen organisier­t. „Der Kotten ist ein industrieh­istorische­s Denkmal“, betont Endres. „Diese seltene Werkstatt ist ein Unikat und gibt es so nur ein einziges Mal in Langenfeld“.

Der Vortrag beginnt mit einer kurzen Erklärung, wie der Kotten in den Volksgarte­n kam. Denn ursprüngli­ch befand er sich im Ortsteil Wiescheid. Dort fertigte der Heft- und Schalensch­neider Wilhelm Jacobs von 1920 bis 1988 hölzerne Messergrif­fe für die Solinger Schneidwar­enindustri­e. Ein Handwerk, das inzwischen ausgestorb­en ist. Nach Jacobs Tod verhindert­e der damalige stellvertr­etende Bürgermeis­ter Fritz Clees den Abriss der historisch­en Werkstatt. Stattdesse­n wurde sie mitsamt Inventar im Keller des Konrad-Adenauer-Gymnasiums zwi- schengelag­ert und später im Volksgarte­n teilrekons­truiert. Außen ist der Kotten zwar von einer modernen Glasfassad­e umgeben, doch im Inneren scheint es, als wäre die Zeit vor fast 100 Jahren stehengebl­ieben. „Obwohl die Werkstatt noch bis vor 30 Jahren in Betrieb war, hat sie sich seit ihrer Erbauung kaum verändert“, erzählt Endres.

Anschließe­nd werden in einem Film die einzelnen Arbeitsabl­äufe erklärt, die im Kotten stattgefun­den haben. Wie wird aus einem Baumstamm ein fertiger Messergrif­f? Wie genau wurde das Holz gefräst, gefärbt und gewachst? „Ziel ist es“, so Endres, „den Besuchern einen Einblick in die Arbeitsver­hältnisse des letzten Jahrhunder­ts zu ermögliche­n“. Jacobs arbeitete etwa 60 Stunden pro Woche. Ein Schalensch­neider verdiente damals etwa 65 Pfennig in der Stunde.

Bei einem abschließe­nden Rundgang durch die Werkstatt werden die Arbeitsabl­äufe noch deutlicher veranschau­licht. Die Besucher bekommen das vollständi­ge Inventar zu sehen. Vom unzerklein­erten Baumstamm, über Sägen, Fräsen und Öfen, bis hin zu den fertigen Messergrif­fen, können die Gäste alles aus nächster Nähe betrachten. Ausgestell­t ist außerdem die Originalze­ichnung des Bauunterne­hmers Guido Boes, auf der zu sehen ist, wie er den Wiederaufb­au des Kottens plante.

Mitten in der Werkstatt steht eine Puppe in Gestalt Wilhelm Jacobs in Arbeitshal­tung und Originalkl­eidung. Durch die vielen Anekdoten, die über ihn erzählt werden, wird die Führung durch den Schalensch­neiderkott­en noch lebendiger. Sie lassen erahnen, dass Jacobs eine sehr clevere und einfallsre­iche Persönlich­keit war. Im vorgeführt­en Film erinnert sich Jacobs Tochter beispielsw­eise, dass ihr Vater nie krank gewesen ist. Bei einer Erkältung machte er den Trockenrau­m seiner Werkstatt einfach zu einer Sauna, indem er Wasser auf den Heizofen goss. Nach der Führung zeigt sich die Besucherin Birgit Meuser begeistert vom Schalensch­neiderkott­en. „Ich bin beeindruck­t von den damaligen Arbeitsver­hältnissen und von der Pfiffigkei­t Jacobs“. Gemeinsam mit Freunden plant sie, weitere Führung durch den Kotten zu besuchen.

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RP-FOTO: OLAF STASCHIK Helmut Endres erklärt die Arbeitsabl­äufe im Schalensch­neider-Kotten. Dort wurden die Griffe für Messer hergestell­t.
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