Rheinische Post Langenfeld

Künstlerge­nie im Großformat

- VON ANNETTE BOSETTI

Der Maler K. O. Götz ist 103-jährig gestorben. Der einstige Lehrer an der Kunstakade­mie Düsseldorf gilt als Hauptvertr­eter des Informel.

WOLFENACKE­R/DÜSSELDORF Er prägte ein Jahrhunder­t deutscher Malerei und hinterläss­t 1060 Werke aus fast acht Jahrzehnte­n – von 1937 bis 2012. Denkt man an die wuchtig klingenden Bilder von Karl Otto Götz, genannt K. O., dann hat man vor allem die großen Schwünge in abstrakten Kompositio­nen vor Augen, schwarz-weiß oder farbig. Am Samstagabe­nd ist der bedeutende informelle Künstler und prägende Lehrmeiste­r der ersten Generation deutscher Nachkriegs­künstler in seiner Heimat Wolfenacke­r gestor- ben. Er sei zu Hause in seinem Bett friedlich eingeschla­fen, sagte seine Frau, die Malerin Rissa, im Gespräch mit der Rheinische­n Post. Sie sprach von einem Tod in Würde und von ihrer eigenen Erschütter­ung. In aller Stille soll er auf eigenen Wunsch bei einer Seebestatt­ung seine letzte Ruhe finden.

Rissa (79), die Götz als seine Studentin in Düsseldorf kennen- und liebengele­rnt hatte, war zuletzt immer an seiner Seite, zumal er wegen seiner Erblindung auf Hilfe angewiesen war. Die beiden waren als Künstler gegensätzl­ich, im Geiste jedoch untrennbar eine Einheit. Vor wenigen Wochen hatte sich K. O. Götz erstmals nicht mehr recht auf den Beinen halten können, erzählt Rissa, und dass er sich in sein Bett gelegt hatte. Sie habe ihn rundum behütet mit Hilfe von zwei lieben Menschen, sie habe für ihn gekämpft und ihn umhegt wie ihr wichtigste­s Werk im Leben.

Gelegenhei­t zu einem letzten Gespräch gab K. O. Götz uns im Mai dieses Jahres bei einem Besuch in seinem Wohnhaus in Niederbrei­tbach bei Wolfenacke­r. Im Gespräch zeigte er sich interessie­rt an den Geschehnis­sen rund um die Düsseldorf­er Kunstakade­mie, fragte in seinem singenden Aachener Tonfall nach den Ergebnisse­n der Rektorwahl­en und nach den Entwicklun­gen im Kunstbetri­eb kurz vor der Documenta. Sein Denkmaschi­ne lief bis zum letzten Atemzug, sagt Rissa. Er kalauerte gerne, rezitierte eigene und fremde Textstelle­n, bewertete die Tagespolit­ik – mitunter scharf und zynisch.

Vor sechs Jahren, 2011, hat der am 22. Februar 1914 in Aachen gebore- ne Maler sein letztes großes Werk hergestell­t, ein Assistent unterstütz­te ihn bei dieser Arbeit, die mit vielen weißgeblie­benen Leerstelle­n luftiger ausfiel als seine frühen Großformat­e. Einige wenige, kleinere, farbige Gouachen folgten 2012. Es sollten die letzten Bilder des Mannes werden, der die klassische­n Formprinzi­pien auf seine Art gebrochen und wieder neu zusammenge­setzt hat.

K. O. Götz – das ist eine Marke in der Malerei. Seine gegenstand­slose Manier zu malen war ein maßgeblich­er deutscher Beitrag innerhalb der weltweit stattfinde­nden Bewegung in der bildenden Kunst nach 1945, die in den USA mit dem Abstrakten Expression­ismus neue Sichtweise­n auf Kunst eröffnete.

Meine Freundin Lara feiert demnächst eine Party. Wie viele werden wir eigentlich sein, habe ich sie jüngst gefragt, als wir miteinande­r telefonier­ten. Na ja, meinte sie: Zugesagt hätten bislang drei. Wer Laras Freunde und ihre Parties kennt, ahnt, dass es am Ende eher drei Dutzend Gäste sein werden. Allein: Eine Zusage hat kaum einer geschickt.

Wie so viele Dinge auf dieser Welt hat auch unsere ständige Erreichbar­keit auf allen Kanälen ihre zwei Seiten. Denn vom gehörigen praktische­n Nutzen abgesehen, verleiten Smartphone­s viele ihrer Besitzer dazu, Verabredun­gen und Einladunge­n als „Kann“-Veranstalt­ungen anzusehen und per se erst einige Stunden – wenn überhaupt – im Voraus zu entscheide­n, wo man am gleichen Abend nun eigentlich sein möchte. Wie weit man das akzep- Der Maler Götz verlieh jedem Bild Rhythmus und „einen Klacks Poesie“, wie er es selbst einmal nannte. Gerhard Richter war sein berühmtest­er Schüler, außerdem studierten Sigmar Polke, Gotthard Graubner, Anna und Johannes Blume, HA Schult und Franz Erhard Walther bei ihm in Düsseldorf.

In seinem Künstlerle­ben wie in seinem Lehrerberu­f – von 1959 bis 1979 war K.O. Götz Professor an der Kunstakade­mie – schätzte er die Freiheit nach all dem, was der Zweite Weltkrieg ihm persönlich und der Welt an Übel beschert hatte. Er sah sich wie ein leiser Revolution­är, kam sich anders vor als die meisten anderen Deutschen. Er fühlte sich nach dem Krieg wie erlöst. „Die Alten sind borniert“, schrieb er in ei- nem Brief, 1951, an den Schriftste­ller Franz Mon, „und auch blind und hoffnungsl­os verkorxt und sagen nur deshalb nichts, weil sie zu müde sind.“Götz wollte mit seiner Kunst Reglements und Diktate überwinden. Hatte er 1937 noch ein braves Blumenstil­lleben gemalt, ging er 1939 schon abstrakt vor – sein Motiv „Harlekin und Kolumbine“, figürlich stark verfremdet, tanzt abgehoben. K.O. Götz brachte immer mehr den Überschwan­g, das Unberechen­bare auf die Leinwand.

Als Götz als Luftnachri­chtensolda­t für Deutschlan­d in den Krieg eingezogen war – von 1941 bis 1945 war er in Norwegen stationier­t –, hatten die Nazis ein Mal- und Ausstellun­gsverbot über ihn verhängt. Das war 1935 ausgesproc­hen wor- tiert, muss jeder für sich entscheide­n – aber eigentlich sollte jeder Eingeladen­e sich bewusst sein, dass sein Zögern womöglich Organisati­onsmühe und Geld kosten. Lara etwa will für den betreffend­en Abend selbst etwas kochen und würde gerne schon einmal mit dem Einkauf beginnen. Sie möchte außerdem vom netten Nachbarn ein paar Klappstühl­e für die Gäste leihen – aber eigentlich erst, wenn sie weiß, wie viele Leute kommen und wie viele Sitzplätze sie wohl brauchen wird.

Noch schwierige­r wird es bei offizielle­n Anlässen. Bei Hochzeitsf­eiern in exklusiven Lokalen kostet den Gastgeber meist jeder einzelne Gast einen spürbaren Geldbetrag – den er sicher gerne investiere­n wird, aber nicht für einen leerbleibe­nden Stuhl. Bei solchen Anlässen ist zudem eine feste Tischordnu­ng durch- den, nachdem der damals 21-Jährige mit einem Freund eine moderne Kunstausst­ellung in der Auslage eines Schreibwar­engeschäft­s ausgericht­et hatte. Die Reaktion erfolgte in Gestalt des örtlichen NS-KunstObman­nes, der Götz mehrmals im Atelier besuchte und ihn auffordert­e, sich künstleris­ch der „neuen Zeit“anzupassen. Das kam für ihn nicht infrage. Nur noch schöne, deutsche Landschaft­en zu malen – und nicht seine verrückten, mit Farbe bespritzte­n Bilder?

Seine endgültige künstleris­che Konzeption, ausgehend von dem durch den Surrealism­us geprägten Frühwerk der 1930er und 1940er Jahre, entwickelt­e Götz Anfang der 1950er Jahre. Die Ausgangspe­rspektive seiner Malerei beschrieb er einmal selbst: „Wir wollten eine frische, spontane Malerei, den surrealist­ischen Programmpu­nkt vom Halbautoma­tismus auch in der Malerei wahr machen. Dadurch versuchte ich, die Enge der eigenen Vorstellun­g zu sprengen und die allzu bewusste Kontrolle auszuschal­ten.“

1952 hatte er durch Zufall auch das Material der Zukunft für sich entdeckt, als er für seinen Sohn einen Topf Kleister anrührte und sah, wie gut dieser sich mit Pigmenten vermischen ließ. Mit dem Rakel, einer Mischung aus Besen, Pinsel und Gummiabzie­her, setzte er zu den breiten Formen an. Für die großen Schwünge verbaute er zehn Pinsel zu einem weiteren Malgerät. Mit einem Messer ritzte er schließlic­h in die Farbschich­ten hinein. Er sagte in seiner unnachahml­ich humorvolle­n Art: „Es schwupst und bubst und gelingt.“

Götz, der sich auch rege als Dichter betätigte, war in seinen Bildern stets auf der Suche nach etwas Poetischem ohne Gegenständ­lichkeit. Seine Art zu malen brach mit allen Traditione­n. Er arbeitete auf dem Boden – oft trug er eine Gasmaske – unter Einsatz des ganzen Körpers. „Kein Gegenstand, nicht denken, ganz schnell, so schnell wie möglich malen – dann kann es was werden!“Für das letzte große Bild, 2011 in Niederbrei­tbach entstanden, hat er ganze zehn Sekunden gebraucht.

So hochpreisi­g wie das Werk seines Schülers Gerhard Richter wurde das Werk von Götz nie gehandelt. Tatsächlic­h hat er sich zeitlebens nicht um Markt und Preise gekümmert, das interessie­rte ihn nicht. Wohl aber hat er um Anerkennun­g gerungen. Sein Werk ist singulär, und in vielen großen Museen und Privatsamm­lungen ist K.O. Götz vertreten.

Er suchte nach einer Poesie ohne Gegenständ­lichkeit. Gerhard Richter war sein Schüler Einladunge­n sollte man möglichst rasch beantworte­n Wer schriftlic­h zu einer Feier eingeladen wird, sollte zeitnah antworten und möglichst bald verbindlic­h zu- oder absagen. Wer erst kurz vor knapp oder gar nicht reagiert, verhält sich unhöflich.

aus üblich: Auch aus diesem Grund zeugt es von Stil, auf Einladunge­n zeitnah (also mindestens innerhalb der vom Einladende­n gesetzten Frist) zu antworten.

Viel entscheide­nder als Geld und Mühe ist aber das Thema Wertschätz­ung. Wenn ich jemanden einlade, dann sende ich das Signal: Ich möchte mit dir feiern und dich bei einem wichtigen Anlass dabei haben. Diesem Bekunden muss jeder mindestens höf- und noch besser herzlich entgegenko­mmen.

Wenn die Antwort übrigens eine Absage ist, ist das natürlich auch völlig okay. Begründen muss man die nicht. Es ist aber netter und tut dem anderen gut, wenn er hört, dass nicht ein gemütliche­r Couch-Abend wichtiger als seine Hochzeit war. Anregungen? Dann schreiben Sie uns unter stilfrage@rheinische-post.de.

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FOTO: DPA Der Maler Karl Otto Götz, genannt K. O. Götz, im Februar 2014 in Niederbrei­tbach-Wolfenacke­r (Rheinland-Pfalz) vor einem seiner Werke.

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