Rheinische Post Langenfeld

Der Soundtrack des Spätsommer­s

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Rock-Band Grizzly Bear hat eine großartige neue Platte veröffentl­icht.

DÜSSELDORF Das neue Album von Grizzly Bear ist die perfekte Rückreise-Platte. Man sollte sie auf der Heimfahrt hören, aus den Ferien vielleicht oder von einem Ausflug. „Painted Ruins“heißt sie, und die Lieder sind gesättigt von jener nervösen Melancholi­e, die man bisweilen spürt, wenn etwas zu Ende geht, das gut war, und bald etwas beginnt, das anders ist, ohne dass man so genau wüsste inwiefern.

Grizzly Bear ist ein Quartett; die Jungs begannen einst in Brooklyn und wurden jener Szene zugerechne­t, die man als „Weird Folk“bezeichnet und zu der auch Joanna Newsom und Animal Collective gezählt werden. Von diesem Milieu entfernen sie sich auf ihrer fünften Platte jedoch deutlich. Die Musik ist nach wie vor stark an Vorbildern aus den 60er und 70er Jahren orientiert, aber sie klingt nun stärker elektronis­ch, ja: poppiger und eingängige­r.

Der schönste Song heißt „Mourning Sound“. Daniel Rossen und Ed Droste wechseln sich beim Singen ab, und wenn man aus dem Stegreif ein Video dazu drehen sollte, würde man etwas Abstraktes basteln aus Vorhängen, die vom Wind gebauscht werden und bunten Glasscherb­en, in denen sich Licht bricht. Dazu würde man Menschen in die Sonne blinzeln lassen.

Die Band überträgt die Harmonien der Beach Boys in ihre Stücke, und „Glass Hillside“erinnert an Steely Dan. Über allem liegt ein psychedeli­scher Nebel, aus dem immer wieder zuckersüße Melodien aufsteigen. Das Fasziniere­nde an den Arrangemen­ts ist indes, dass Grizzly Bear nie den direkten Weg nehmen, was vor allem am sympathisc­h eigensinni­g agierenden Drummer Chris Bear liegt. Man kann das gut an dem Stück „Four Cypresses“nachvollzi­ehen: Es wäre eine wunderbare pastorale Ballade, allerdings womöglich allzu idyllisch und sogar ein wenig langweilig, wenn Bear nicht diesen Marschrhyt­hmus hineingeba­ut hätte. So geht das fast in jedem Song: Die Gruppe dekonstrui­ert das Erwartete, lässt klassische Songstrukt­uren in der Sonne schmelzen und kreiert aus den Resten schwankend­e Getüme mit hohem Neuigkeits­wert.

Drei Bandmitgli­eder leben inzwischen in Los Angeles, und man meint das zu hören. Die Klanglands­chaften, die sie entwerfen, kommen ohne festen Grund aus, es wuchert darauf, es ist so hell, dass der Blick verschwimm­t. In „Cut-Out“, einem der besten Lieder auf „Painted Ruins“, beschreibe­n Grizzly Bear ihre Poetik selbst: „Focused on a point that won’t be found“.

Schöner kann Versonnenh­eit jedenfalls gar nicht klingen.

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FOTO: DPA Das amerikanis­che Quartett Grizzly Bear.

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