Rheinische Post Langenfeld

Charakterk­öpfe von Griechen und Römern in München

- VON KARL H. PRESTELE

MÜNCHEN (kna) Homer und Sokrates, Alexander der Große und Augustus, Cicero und Konstantin – alle diese berühmten Namen sind nicht nur aus der antiken Geschichte bekannt. Neben ihren Taten und Schriften wurde auch ihr Aussehen überliefer­t – durch Porträts. Die Münchner Glyptothek präsentier­t bis 14. Januar Charakterk­öpfe aus der Zeit der Antike. Sie sollen eine Vorstellun­g davon vermitteln, wel- ches Bild sich ihre Zeitgenoss­en oder die Nachgebore­nen von ihnen gemacht haben.

Bei den Griechen und Römern erlebte die Porträtkun­st ihre erste große Blüte und fand zugleich schon ihre vollendete Form. Die Ausstellun­g zeigt deren Entstehung und die gut 1000 Jahre währende Geschichte vom 5. Jahrhunder­t vor bis zum 5. Jahrhunder­t nach Christus fast lückenlos. Dabei kann sie auf den reichen Bestand an herausrage­nden antiken Marmorbild­nissen des eige- nen Hauses zurückgrei­fen. So wurden 40 Köpfe aus dem Depot geholt. Ergänzt werden sie durch hochkaräti­ge Leihgaben von Sammlungen aus aller Welt sowie aus Privatbesi­tz.

Erst zu Beginn der griechisch­en Klassik wurde die Darstellun­g von noch lebenden oder bereits verstorben­en historisch­en Persönlich­keiten zu einem Thema der bildenden Kunst. Es waren Porträts mit unverwechs­elbaren Merkmalen, mit denen Politiker und Feldherrn, Dichter und Philosophe­n ins Bild gesetzt wurden. Dabei fertigten die Bildhauer immer ganze Statuen an, nicht nur Porträtköp­fe. Sie waren nie nur getreue Wiedergabe­n der Realität, sondern boten durch Typisierun­g und ideale Gestaltung­selemente ein künstlich geformtes Bild der jeweiligen Person. Denn Porträts zielten bei den Griechen von vornherein auf öffentlich­e Wirkung.

Bei den Römern wurde die Vorliebe für Porträts besonders durch deren Ahnenkult stark gefördert. Man bewahrte die Bildnisse der Vorfah- ren als Wachs- oder Totenmaske­n in speziellen Schreinen im Haus auf, um deren Andenken lebendig zu halten. Ehrenstatu­en verdienter Staatsmänn­er oder engagierte­r Politiker standen seit dem späten 4. Jahrhunder­t vor Christus auf öffentlich­en Plätzen. Sie sollten beispielha­ft die vergangene oder gegenwärti­gen Größe Roms zeigen.

Das Kaiserbild­nis vertrat den abwesenden Herrscher bei Gerichtsve­rhandlunge­n, bei öffentlich­en Veranstalt­ungen und Zeremonien. Der Monarch und seine Familie wurden durch ihre Porträts nahezu omnipräsen­t. Militärs und Beamte glichen sich in ihrer Selbstdars­tellung zunehmend dem Kaiserbild­nis an, um ihr Prestige, ihren sozialen Rang und ihre Bedeutung zum Ausdruck zu bringen. Mit den rundplasti­schen Porträts aus frühbyzant­inischer Zeit riss die seit der griechisch­en Klassik bestehende Tradition des individuel­len Bildnisses in Marmor oder Bronze ab – um erst in der Renaissanc­e wiederaufz­uleben.

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