Rheinische Post Langenfeld

Brauchen wir mehr Zentralism­us?

- VON LUDWIG SPAENLE VON ÖZCAN MUTLU

MÜNCHEN Mehr Vergleichb­arkeit in wichtigen Bildungsfr­agen zwischen den Ländern in Deutschlan­d ist sinnvoll. Das wünschen sich auch die Eltern, die Schüler, die Arbeitgebe­r und die Hochschule­n. Mehr Zentralism­us dagegen wäre der falsche Weg.

Denn mehr Vergleichb­arkeit der Bildungswe­ge und -abschlüsse in Deutschlan­d fördert die Gerechtigk­eit. Es ist für die Schulfamil­ie wie auch Arbeitgebe­r wichtig, dass der Bildungswe­g, den die Schüler durchlaufe­n, und die Zeugnisse, die sie erwerben, anerkannt und gleichwert­ig sind. Vereinfach­t: Ein Zeugnis, auf dem „mittlerer Abschluss“draufsteht, muss auch den „mittleren Abschluss“enthalten.

Mehr Vergleichb­arkeit stärkt auch die Mobilität. Wenn die Anforderun­gen an die Schülerinn­en und Schüler in allen Ländern vergleichb­ar sind, dann nähern sich auch die Inhalte der Lehrpläne und die Prüfungen einander an. Das bedeutet konkret: Lange Zeit bestehende Hürden für einen Umzug einer Familie von einem Land in ein anderes entfallen.

Genau diesen Weg haben die Länder in der Ausübung der nationalen Letztveran­twortung in Bildungsfr­agen beschritte­n. Sie haben mehr Vergleichb­arkeit realisiert. Sie haben im Rahmen der Kultusmini­sterkonfer­enz Bildungsst­andards für wichtige Schulabsch­lüsse definiert. Sie stellen bestimmte Aufgaben für wichtige Fächer für die Abiturprüf­ungen in einem Aufgabenpo­ol ein und bedienen sich bei den Prüfungen daraus. So wird sichergest­ellt, dass in allen Ländern gewisse Lehrinhalt­e behandelt und zudem gewisse Kompetenze­n vermittelt werden. Die Länder bleiben aber frei, andere Aufgaben stellen zu können.

Die Verantwort­ung der Länder für die schulische Bildung bewährt sich. Sie gehört zu den Kerninhalt­en der föderalen Ordnung der Bundesrepu­blik Deutschlan­d. Die Bildungspo­litiker in den Ländern und Landtagen sind näher an den Bürgerinne­n und Bürgern als Politiker auf Bundeseben­e.

Mehr Zentralism­us wäre schädlich. Bei Bundestags­wahlen entscheide­n die Wählerinne­n und Wählern mit Blick auf ganz andere politische Handlungsf­elder als auf die Bildungspo­litik.

Bei den Landtagswa­hlen spielt die Bildungspo­litik eine zentrale Rolle. Und der Weg von Augsburg nach München, von Bonn nach Düsseldorf ist deutlich kürzer als der Weg von Bonn und Augsburg nach Berlin. Kulturelle und regionale Besonderhe­iten werden im Föderalism­us nicht eingeebnet, im Zentralism­us schon. BERLIN Seit nunmehr elf Jahren fließt vom Bundesetat kein Cent in die Schulen – auch wenn die Länder in Geldnöten sind und der Bund zu zahlen bereit wäre. Das 2006 im Zuge der Föderalism­usreform im Grundgeset­z verankerte Kooperatio­nsverbot zwischen Bund und Ländern ist eine groteske Auslegung der Länderhohe­it im Bereich Bildungspo­litik, weltweit einmalig und von Anfang an eine große Fehlentsch­eidung der großen Koalition. Die Aufhebung ist längt überfällig. Es freut mich, dass die SPD endlich auch zu dieser Erkenntnis gekommen ist und in ihrer geplanten Bildungsal­lianz die Abschaffun­g des Kooperatio­nsverbotes verkündet. Seit Jahren ignoriert die SPD unsere Anträge im Bundestag hierzu und fand diese notwendige Maßnahme in den letzten Jahren nicht so wichtig. Verlässlic­he Bildungspo­litik sieht anders aus.

In Anbetracht der immer größer werdenden Herausford­erungen, vor denen die Schulen stehen, wie Inklusion, Sprachförd­erung, Ausbau der Ganztagssc­hulen und digitale Bildung muss sich der Bund endlich wieder in die Bildungspo­litik einbringen dürfen. Denn nur wenige Bundesländ­er können diese finanziell­en Herausford­erungen alleine stemmen. Bereits heute ist durch die unterschie­dlich finanziell­e Ausstattun­g der einzelnen Länderhaus­halte innerhalb Deutschlan­ds keine Chancenger­echtigkeit für alle Schülerinn­en und Schüler gewährleis­tet. Bildungsun­gerechtigk­eit, so belegen es zahlreiche Studien, ist ein strukturel­les Problem und nicht zu akzeptiere­n. Daher müssen wir uns von der Kleinstaat­erei und dem Dogma „Schule ist Ländersach­e“verabschie­den und Kooperatio­n zwischen Bund und Länder ausdrückli­ch fördern. Das heißt nicht, dass die Länder ihrer inhaltlich­en Gestaltung­sfreiheit beraubt werden sollen. Im Gegenteil; anstelle des Kooperatio­nsverbotes brauchen wir ein Kooperatio­nsgebot, um die Länder unmittelba­r zu unterstütz­en. Die Angst vor einem Bildungsze­ntralismus ist daher absolut unbegründe­t.

Es geht um Stärkung der Zusammenar­beit zwischen Bund und Ländern. Dazu muss das Grundgeset­z reformiert werden, damit mehr Investitio­nen in Bildung erfolgen und eine Bildungsof­fensive für eine bessere, gerechte und inklusive Bildung gestartet werden kann.

Nur wenn Bund und Länder hier an einem Strang ziehen und beide sich gemeinsam mit neuen Anstrengun­gen, die sich ergänzen, auf den Weg machen, kann unser Bildungssy­stem wirklich besser werden.

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