Zucker begünstigt Depressionen
Bundesbürger verzehrt durchschnittlich 100 Gramm Zucker pro Tag. Er liegt also deutlich über den 67 Gramm, ab denen man in der Studie bereits den Zucker-Vielessern zugeordnet wurde.
Knüppel betont aber auch, dass diese Zahlen keinen kausalen Zusammenhang beweisen. Denn prinzipiell ließen sie sich ja auch dadurch erklären, dass jene Menschen, die depressiv sind, wegen ihrer Krankheit vermehrt zu Zucker greifen, quasi als Selbsttherapie. Doch dann wäre der Zuckerkonsum nicht die Ursache, sondern die Folge der Krankheit. Also untersuchten die Forscher bei ihren Probanden, wie sich deren Süßwarenkonsum und deren psychische Störungen zeitlich entwickelt haben.
Dabei zeigte sich: Wer bereits psychisch krank war, aß keineswegs überdurchschnittlich mehr Süßes. Wohl aber entwickelten ursprünglich gesunde Männer öfter Ängste und Depressionen, wenn sie viel Zucker verzehrten. Weswegen für Knüppel und ihr Team feststeht: „Eine Politik, die für einen geringeren Zuckerkonsum in der Bevölkerung sorgt, kann durchaus zur Prävention von Depressionen und anderen psychischen Störungen beitragen.“Die Stimmungslage der Deutschen könnte sich also deutlich aufhellen, wenn sie ihren Zuckerkonsum dritteln oder wenigstens halbieren könnten. Das Belohnungssystem wird durch Zucker gefüttert – mit fatalen Folgen Auf den ersten Blick erklärbar scheint dieses Phänomen jedoch nicht, denn eigentlich benötigt kein anderes Organ so viel Zucker wie unser Gehirn, nämlich rund zehn, also 140 Gramm. Doch auf Überdosierung reagiert es fast wie auf eine Vergiftung. „Unter massiver Zuckerzufuhr werden weniger Proteine für die Neubildung von Nervenzellen und Synapsen aktiviert“, erklärt Fernando Gomez-Pinilla von der University of California. Diese Drosselungsaktionen sollen verhindern, dass aktive Hirnzellen sich im Rausch des Zuckerüberflusses erschöpfen. Doch dabei wird offenbar so entschieden der Saft abgedreht, dass am Ende die aktive, für Willensaktionen maßgebliche Hirnmasse deutlich schrumpft.
Eine andere Erklärung wäre, dass unser zentrales Denkorgan bereits seine Belohnungssysteme hochfährt, wenn es nur den Geschmack von Süßem wahrnimmt. Es kommt dann zur Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin, was für eine kurz-
fristige Befriedigung sorgt, die aber schon bald vom Verlangen nach noch mehr Zucker abgelöst wird. „Er besetzt unser Belohnungssystem und schaukelt es hoch“, erklärt NeuroWissenschaftlerin Jordan Gaines Lewis von der Pennsylvania State University. Was im Endeffekt bedeutet: Wir können nicht genug von ihm bekommen.
Und wer nicht genug von etwas kriegen kann, ist latent unbefriedigt mit einer entsprechenden Neigung zur Schwermut. Nicht umsonst leiden auch extrem viele Drogensüchtige unter Depressionen – und bei den „Zucker-Junkies“ist es nicht anders. Zucker fördert auch entzündliche Prozesse im Körper Zudem unterfüttert Zucker entzündliche Prozesse, die – wie man mittlerweile weiß – den Ausbruch von Depressionen fördern können. Was ja auch aus biologischer Sicht durchaus sinnvoll ist. Denn eine Entzündung bedeutet zunächst einmal, dass im Körper etwas beschädigt ist, und deshalb schaltet das Gehirn auf Schongang und Rückzug, um Zeit und Ruhe für die Regeneration zu gewinnen. Weswegen es uns bei einer schweren Erkältung eher ins Bett als auf lustige Partys zieht. Doch diese kurzfristig sinnvolle Rückzugsstrategie kann sich zur langfristig schädlichen Depression auswachsen, wenn Entzündungen durch Zucker unter Dampf gehalten und chronisch werden.